Instand-NGS4P – Neue standardisierte "Next Generation Sequencing"-Workflows für die Diagnostik
Aus der Forschung und Entwicklung über die erfolgreiche europäische Standardisierung jetzt auf der Zielgeraden zur internationalen Normung – die CEN "Next Generation Sequencing"-Workflows sind da, auf dem Durchmarsch zu ISO und bald wieder offen zum Mitmachen.
Die molekulare In-vitro-Diagnostik hat bedeutende Fortschritte in der Medizin ermöglicht, während die Next Generation Sequencing-Technologie (NGS) in der Reihe der molekularen Techniken für die Diagnostik einen prominenten Platz einnimmt. NGS erleichtert die Sequenzanalyse von Nukleinsäuren, die zu präziseren Informationen führen kann, welche nicht nur zur Vervollständigung der histopathologischen Diagnose, sondern auch für neuere zielgerichtete Therapien nützlich sind, die auf spezifische genomische Mutationen oder Translokationen ausgerichtet sind. Darüber hinaus ist NGS von grundlegender Bedeutung für das Verständnis der Resistenzmechanismen gegenüber zielgerichteten Wirkstoffen und kann therapeutische Strategien bei refraktären Tumoren leiten.
Die NGS-Technologie ist jedoch mit komplexen Arbeitsabläufen verbunden, die viele Schritte umfassen und analyse- und probenspezifische Verfahren erfordern (z. B. für unterschiedliche Ausgangsmaterialien in unterschiedlicher Menge oder Heterogenität), da sich die Profile isolierter DNA/RNA oder methylierter DNA während der Probenahme, des Transports, der Lagerung und der Verarbeitung ändern können. Solche Veränderungen in Kombination mit den vielen kritischen Entscheidungen, die während des komplexen Arbeitsablaufs getroffen werden müssen, können die Diagnose- und Forschungsergebnisse unzuverlässig oder sogar unmöglich machen, da der anschließende analytische Test nicht die Situation im Patienten bestimmt, sondern zu einem künstlichen Profil führen kann, das während des prä-analytischen Prozesses und der nachfolgenden Analyse erzeugt wurde.
Projekt “Instand-NGS4P”
Um diese Hürden zu überwinden und das Erhalten erfolgreicher und zuverlässiger Sequenzierungsergebnisse zu erleichtern, wurde das 65-monatige Pre-Commercial Procurement (PCP) Projekt "Integrated and Standardized NGS Workflows for Personalised Therapy", kurz Instand-NGS4P (1), ins Leben gerufen. Das Projekt startete im Januar 2020 und bringt sieben führende medizinische Zentren mit umfassender Erfahrung in der Nutzung verschiedener NGS-Plattformen in Forschung und Routinediagnostik sowie europäische Patientenvertreter, eine Normungsorganisation (DIN) und Partner zusammen, die an den europäischen Infrastrukturen BBMRI-ERIC, ELIXIR und mehreren NGS-bezogenen EU-Programmen teilnehmen.
Das Ziel von Instand-NGS4P ist es, in enger Zusammenarbeit mit Herstellern neue innovative Produkte für probenspezifische NGS-Workflows in einem aus drei Phasen bestehenden Ausschreibungsverfahren zu entwickeln. Die entwickelten Produkte werden den NGS-Workflow von der Probenpräanalytik bis hin zur medizinischen Entscheidungsfindung unterstützen und sich an den Bedürfnissen der Patienten und Kliniken orientieren. Dabei werden auch die regulatorischen Anforderungen an In‑vitro-Diagnostika berücksichtigt und auf internationale/europäische Standards und Anforderungen bezüglich der Entwicklung von Referenzmaterialien und der Implementierung von External Quality Assurance (EQA)-Schemata für den gesamten NGS-Workflow verwiesen. Letztendlich wird dieses PCP-Projekt zwei vollständig integrierte, standardisierte NGS-Workflows für die Routinediagnose von häufigen und seltenen Krebsarten bei Erwachsenen und Kindern bieten.
Neue CEN Technische Spezifikationen für NGS-Workflows
Während Instand-NGS4P die NGS-Workflow-Entwicklung weiter vorantreibt, wurde ein großes Ziel für die Standardisierung erreicht. Durch die Unterstützung von DIN bei der Einbringung relevanter Forschungsergebnisse und Informationen in das Arbeitsprogramm des Europäischen Komitees CEN/TC 140 „In-vitro-Diagnostik“ als neuen Projektvorschlag und die Erarbeitung von zwei daraus resultierenden Normungsprojekten unter der Leitung von EMC (2) hat das Konsortium die Veröffentlichung von zwei CEN/TS-Dokumenten im November 2023 erreicht, wobei europäische nationale Übersetzungen von Anfang bis Mitte 2024 folgten:
- CEN/TS 17981-1:2023, Next Generation Sequencing (NGS)-Arbeitsabläufe für die In-vitro-Diagnostik — Teil 1: Untersuchung von menschlicher DNA
- CEN/TS 17981-2:2023, Next Generation Sequencing (NGS)-Arbeitsabläufe für die In-vitro-Diagnostik — Teil 2: Untersuchung von menschlicher RNA
Beide CEN/TS-Dokumente enthalten analyten- und probenspezifische NGS-Workflows für die Diagnostik von DNA/RNA aus Geweben, Blut und Körperflüssigkeiten von der Voruntersuchungsphase (Probenentnahme) über die Untersuchungsphase (Bibliotheksvorbereitung, Sequenzierung) bis hin zur Nachuntersuchungsphase (Analyse und Berichterstattung) und umfassen als erste ihrer Art alle Schritte, die für erfolgreiche und zuverlässige Sequenzierergebnisse ausschlaggebend sind. Darüber hinaus erläutern beide Dokumente die Ansichten der Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR) und der U.S. Food and Drug Administration (FDA) zu regulatorischen Fragen in Bezug auf die Qualität von NGS-Diagnostik und wenden diese Ansichten an. Darüber hinaus werden sie mit horizontalen Normen wie ISO 15189 für medizinische Laboratorien oder ISO 13485 für Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme für regulatorische Zwecke im Zusammenhang mit Medizinprodukten kombiniert und ergänzen diese. Beide CEN/TS-Dokumente enthalten auch Links zu anderen bestehenden NGS-relevanten Normen, welche deren Anwendbarkeit entlang jedes enthaltenen NGS-Workflows angeben, und wurden in Abstimmung mit NGS-relevanten Aktivitäten in ISO/TC 276 „Biotechnology“, ISO/TC 212 „Clinical laboratory testing and in vitro diagnostic test systems“ und ISO/TC 215 „Health informatics“ entwickelt, um eine breite Anwendung zu erleichtern.
Zukunftsziel – Internationale Standardisierung
Während sich das PCP-Projekt weiterentwickelt und zusätzliche Ergebnisse erzielt werden, strebt das Konsortium nach mehr - mit dem Endziel der internationalen Standardisierung von NGS-Workflows. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde mit der Verbreitung der beiden CEN/TS-Dokumente als neue Projektvorschläge innerhalb des ISO/TC 212 für die Entwicklung von EN ISO-Normen erreicht. Die Entscheidung über die Genehmigung wird für Ende Oktober 2024 erwartet.
Wenn Sie daran interessiert sind, sich an der Entwicklung dieser EN ISO-Normen im Rahmen der Internationalen Normungsorganisation (ISO) zu beteiligen, kontaktieren Sie bitte Ihre nationale Normungsorganisation für weitere Informationen. Für deutsche Experten steht das DIN über Björn Hermes (björn.hermes@din.de) gerne zur Verfügung.
Instand-NGS4P wird auch weiterhin NGS-Forschungsergebnisse als Standardisierungsbeiträge für ISO/TC 212 bereitstellen, um zur Verbesserung der Patientenbehandlung beizutragen. Weitere Informationen über das Instand-NGS4P-Projekt finden Sie unter folgendem Link: http://www.instandngs4p.eu/
(1) Das Projekt wird durch das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizon 2020 mit einem Betrag von 10.998.128,16 € gefördert und von der Medizinischen Universität Graz koordiniert. Dieses Projekt wird von der Europäischen Union unter der Fördervertragsnummer 874719 kofinanziert.
(2) Medizinischen Universität Graz, Universität Florenz, ERASMUS University Medical Centre (EMC), Universität Milano-Bicocca, Universitätskliniken Schleswig-Holstein, St. Anna Kinderkrebsforschung, Centre Leon Bérard, Italian Federation of Cancer Patient Associations, European Cancer Patient Coalition, Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN), Technische Universität München, Universität Ljubljana, Universität Manchester, Universität Liverpool, Organisation of European Cancer Institutes, Universität Helsinki, BioXPedia und das International Prevention Research Institute.