DIN-Normenausschuss Beschichtungsstoffe und Beschichtungen (NAB)
Beurteilung der Benetzbarkeit von Oberflächen – Überarbeitung der Normenreihe DIN EN ISO 19403
Die Normenreihe DIN EN ISO 19403 legt optische Prüfverfahren fest:
- zur Messung des Kontaktwinkels,
- zur Bestimmung der freien Oberflächenenergie einer festen Oberfläche, einschließlich des polaren und des dispersen Anteils,
- zur Bestimmung der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten, einschließlich des polaren und des dispersen Anteils,
- zur Überprüfung der Messanordnung mit Referenzmaterialien.
Die Normenreihe DIN EN ISO 19403 kann zur Charakterisierung von Substraten, Beschichtungen und Beschichtungsstoffen eingesetzt werden. Sie besteht unter den allgemeinen Titel Beschichtungsstoffe — Benetzbarkeit aus den folgenden Teilen:
- Teil 1: Begriffe und allgemeine Grundlagen
- Teil 2: Bestimmung der freien Oberflächenenergie fester Oberflächen durch Messung des Kontaktwinkels
- Teil 3: Bestimmung der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten mit der Methode des hängenden Tropfens
- Teil 4: Bestimmung des polaren und dispersen Anteils der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten aus einer Grenzflächenspannung
- Teil 5: Bestimmung des polaren und dispersen Anteils der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten aus Kontaktwinkelmessungen auf einem Festkörper mit rein dispersem Anteil der Oberflächenenergie
- Teil 6: Messung des dynamischen Kontaktwinkels
- Teil 7: Messung der dynamischen Kontaktwinkel und des Abrollwinkels auf einem Neigetisch
DIN EN ISO 21227-1 legt allgemeine Begriffe zur Benetzbarkeit fest. Einige allgemeine Grundlagen sind im Anhang A der Norm erläutert.
Grundlagen der Bestimmung der freien Oberflächenenergie: Eine Flüssigkeit, die auf einer festen Oberfläche aufliegt, zeigt eine typische Tropfenform. Das charakteristische Merkmal des Tropfens ist der Winkel, den die an der Kontur anliegende Tangente im Dreiphasenpunkt mit der festen Oberfläche bildet (siehe Bild 1). Bei einem Kontaktwinkel θ = 0° ist eine Oberfläche vollständig benetzt.
Legende
1 Dreiphasenpunkt
2 flüssige Phase
3 feste Phase
4 Gasphase
5 Basislinie
σl Oberflächenspannung der flüssigen Oberfläche
σs freie Oberflächenenergie der Festkörperoberfläche
σs,l Grenzflächenenergie zwischen Festkörperoberfläche und flüssigen Oberfläche
θ Kontaktwinkel
Grundlagen der Oberflächenspannungsmessung am hängenden Tropfen: Hängt ein Flüssigkeitstropfen an einer Kanüle, so nimmt der Tropfen im Kräftegleichgewicht eine charakteristische Form an, aus der die Oberflächenspannung ermittelt werden kann.
Die von der Höhe eines bestimmten Punktes am Tropfen abhängige Gravitationskraft gleicht den Laplace-Druck aus, der sich aus der Krümmung der Tropfenoberfläche oder Grenzfläche an dieser Stelle ergibt.
DIN EN ISO 21227-2 legt ein Prüfverfahren zum Messen des Kontaktwinkels für die Bestimmung der freien Oberflächenenergie einer festen Oberfläche fest. Das Verfahren kann zur Charakterisierung von Substraten und Beschichtungen eingesetzt werden.
Jeweils mindestens drei Tropfen von mindestens zwei Prüfflüssigkeiten werden auf die ebene Probenkörperoberfläche dosiert. Bei jedem Tropfen wird der Kontaktwinkel gemessen. Aus den gemittelten Kontaktwinkeln jeder Flüssigkeit, ihren Oberflächenspannungen und deren polaren und dispersen Anteilen, wird die freie Oberflächenenergie des Festkörpers, aufgeteilt in den polaren und dispersen Anteil, mit einem geeigneten Modell berechnet.
Legende
1 Lichtquelle
2 Probenhalter
3 skalierte Mikroinjektionsspritze
4 optisches System
5 Bildschirm
ANMERKUNG 1 Das Bilderfassungssystem ist so ausgerichtet, dass die optimale Bildauflösung (Verhältnis von Breite zu Höhe) genutzt werden kann.
ANMERKUNG 2 Das verwendete Gerät kann sich hinsichtlich des Strahlengangs und der Anordnung der Komponenten von der schematischen Darstellung unterscheiden.
DIN EN ISO 21227-3 legt ein Prüfverfahren zum Messen der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten anhand eines hängenden Tropfens mit einem optischen Verfahren fest. Das Verfahren kann zur Charakterisierung von flüssigen Beschichtungsstoffen eingesetzt werden. Die Anwendbarkeit bei Flüssigkeiten mit nicht-newtonschem Fließverhalten kann eingeschränkt sein.
Ein Tropfen von jeder zu untersuchenden Flüssigkeit wird an einer Kanüle hängend abgebildet, wobei der Tropfen auf Grund seines Eigengewichts signifikant von der Kugelform abweichen muss. Die Oberflächenspannung wird nach der Young Laplace Gleichung aus der Form des hängenden Tropfens berechnet.
Zur Bestimmung der polaren und dispersen Anteile der Oberflächenspannung stehen mindestens zwei Verfahren zur Verfügung, die in ISO 19403-4 und ISO 19403-5 festgelegt sind.
Legende
1 Lichtquelle
2 skalierte Mikroinjektionsspritze
3 optisches System
4 Bildschirm
DIN EN ISO 21227-4 legt ein Prüfverfahren zum Bestimmen des polaren und dispersen Anteils der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten mit optischen Verfahren fest. Das Verfahren kann zur Charakterisierung von flüssigen Beschichtungsstoffen eingesetzt werden, insbesondere, wenn während der Messung Trocknungseffekte auftreten. Die Anwendbarkeit bei Flüssigkeiten mit nicht-newtonschem Fließverhalten kann eingeschränkt sein.
Die Norm geht davon aus, dass die Informationen über die Oberflächenspannung der zu untersuchenden Flüssigkeit sowie mindestens einer geeigneten Referenzflüssigkeit bekannt sind.
Jeweils ein Tropfen der zu untersuchenden Flüssigkeit wird an einer Kanüle hängend oder an ihr aufsteigend in einer Küvette, die vollständig mit einer Referenzflüssigkeit gefüllt ist, abgebildet. Der abgebildete Tropfen muss auf Grund des Masseunterschieds zur Referenzflüssigkeit signifikant von der Kugelform abweichen. Die Grenzflächenspannung wird nach der Young Laplace Gleichung aus der Form des dabei gebildeten hängenden bzw. aufsteigenden Tropfens berechnet. Aus der ermittelten Grenzflächenspannung und den bekannten Oberflächenspannungen der zu untersuchenden Flüssigkeit und der Referenzflüssigkeit lassen sich der polare und der disperse Anteil der Oberflächenspannung der zu untersuchenden Flüssigkeit bestimmen.
Legende
1 Lichtquelle
2 Dosiereinrichtung mit skalierter Mikroinjektionsspritze
3 Küvette
4 Bildaufnahme‑ und Analyseeinheit
5 Bildschirm
DIN EN ISO 21227-5 legt ein Prüfverfahren mit optischen Verfahren zum Bestimmen des polaren und dispersen Anteils der Oberflächenspannung von Flüssigkeiten fest. Das Verfahren kann zur Charakterisierung von flüssigen Beschichtungsstoffen eingesetzt werden.
Die Anwendbarkeit bei Flüssigkeiten mit nicht-newtonschem Fließverhalten kann eingeschränkt sein.
Dieses Dokument geht davon aus, dass die Oberflächenspannung der zu prüfenden Flüssigkeit und die freie Oberflächenenergie der dispersen Referenzflüssigkeit bekannt sind.
Schritt 1: Die Oberflächenspannung der zu prüfenden Flüssigkeit wird nach ISO 19403-3, EN 14370 oder ISO 1409 bestimmt.
Schritt 2: Die freie Oberflächenenergie eines Referenzfestkörpers wird ohne polaren Anteil der freien Oberflächenenergie nach ISO 19403-2 bestimmt.
Schritt 3: Die Messung des Kontaktwinkels zwischen dem Referenzfestkörper und der zu prüfenden Flüssigkeit wird nach ISO 19403-2 durchgeführt.
Schritt 4: Der disperse Anteil der Oberflächenspannung der Flüssigkeit wird nach Owens, Wendt, Rabel und Kaelble (OWRK) oder nach Wu berechnet.
Schritt 5: Der polare Anteil der Oberflächenspannung der Flüssigkeit wird aus dem dispersen Anteil der Oberflächenspannung und der im Schritt 1 gemessenen Oberflächenspannung berechnet.
DIN EN ISO 21227-6 legt ein Verfahren zum Messen des dynamischen Kontaktwinkels mit einem optischen Verfahren fest. Es werden der Fortschreit- und der Rückzugswinkel bestimmt.
Dynamische Kontaktwinkel beschreiben die Vorgänge an der Grenzfläche flüssig/fest während der Volumenvergrößerung (Fortschreitwinkel) oder -verkleinerung (Rückzugswinkel) eines liegenden Tropfens. Alternativ zum statischen Verfahren (siehe ISO 19403-2) wird für den Fortschreitwinkel immer eine Oberfläche benetzt, welche an dieser Stelle zuvor unbenetzt war. Für den Rückzugswinkel wird der Kontaktwinkel während der Entnetzung beobachtet. Die Differenz zwischen Fortschreit- und Rückzugswinkel weist auf eine unterschiedliche chemische oder physikalische Homogenität (Morphologie, Topologie) oder Rauigkeit hin. Für die Bestimmung der Oberflächenenergie ist der Rückzugswinkel nicht geeignet.
Durch diese definierte Messung können sowohl die Be- und Entnetzungseigenschaften charakterisiert als auch Rückschlüsse auf die morphologische und chemische Homogenität von Grenzflächen gezogen werden.
Von jeder Prüfflüssigkeit werden mindestens drei Tropfen auf die ebene Probenkörperoberfläche dosiert. Das Volumen des jeweiligen Tropfens wird kontinuierlich erhöht (Fortschreitwinkel) oder verringert (Rückzugswinkel). Der Kontaktwinkel wird vorzugsweise im Polynomverfahren synchron zur Dosierung bestimmt. Müssen der polare und disperse Anteil der freien Oberflächenenergie nach ISO 19403-2 bestimmt werden, muss der Fortschreitwinkel verwendet werden.
Legende
1 Lichtquelle
2 Probenhalter
3 Dosiersystem mit Mikroliterspritze zur kontinuierlichen Dosierung
4 optisches System
5 Bildschirm
6 Kanüle im Tropfen
DIN EN ISO 21227-7 legt ein Verfahren zur dynamischen Messung des Abrollwinkels eines Flüssigkeitstropfens auf einer festen Oberfläche fest. Aus der dynamischen Messung können auch der Fortschreit- und der Rückzugswinkel des abrollenden Tropfens bestimmt werden. Der Abrollwinkel spielt eine Rolle bei der Beurteilung von z. B. „easy-to-clean“ Oberflächen oder Antihaftoberflächen.
Ein Tropfen wird auf der zu prüfenden Oberfläche abgesetzt. Die Oberfläche wird mit konstanter Geschwindigkeit geneigt, bis der Tropfen abrollt/abrutscht. Der Fortschreit‑ und der Rückzugswinkel werden aus der zeitlichen Verfolgung des linken und rechten Dreiphasenpunktes bestimmt.
Legende
1 Lichtquelle
2 Probenhalter
3 skalierte Mikroinjektionsspritze
4 optisches System
5 Bildschirm
Wer Interesse an einer Mitarbeit zur Überarbeitung der Normenreihe DIN EN ISO 21227 zur digitalen Bildverarbeitung hat, kann sich gerne bei der NAB-Geschäftsstelle melden.