DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE
IEC 60060-3
Hochspannungs-Prüftechnik - Teil 3: Begriffe und Anforderungen für Vor-Ort-Prüfungen
High voltage test techniques - Part 3: Definitions and requirements for on-site testing
Einführungsbeitrag
Die Anforderungen an Hochspannungstyp- und Stückprüfungen in einem Werk sind bereits seit Jahrzehnten standardisiert; zurzeit gelten hierfür die Normen IEC 60060-1:1989 über "Prüftechnik" und IEC 60060-2:1994 über "Messtechnik" sowie die damit identischen Europäischen und Deutschen Normen. Bei Hochspannungsprüfungen vor Ort, die sowohl zur Inbetriebnahme als auch für diagnostische Zwecke durchgeführt werden, können diese Anforderungen vielfach nicht erfüllt werden. Ursachen sind die Schwierigkeiten bei der Bereitstellung der erforderlichen hohen Prüfspannungen und/oder großen Prüfleistungen bzw. die erzielbaren Messunsicherheiten vor Ort. Auf der Grundlage der vorgenannten IEC-Normen für Werksprüfungen und der für einzelne Betriebsmittel entwickelten Vor-Ort-Hochspannungsprüfungen (einschließlich der Spannungserzeugung für TE- und dielektrische Messungen) sowie nach umfangreicher Vorarbeit durch die CIGRE-Arbeitsgruppe 33.03 (jetzt D1.02) konnte das zuständige IEC/TC 42 "Hochspannungs-Prüftechnik" die Arbeiten an der grundlegenden Norm für Hochspannungsprüfungen vor Ort, IEC 60060-3, nach einstimmig positivem Votum der Nationalen Technischen Komitees abschließen. Es wird erwartet, dass die für unterschiedliche Betriebsmittel geltenden Vor-Ort-Prüfungen jetzt harmonisiert werden können. Ob Vor-Ort-Prüfungen stattfinden und welche Spannungsformen dafür einzusetzen sind, bleibt natürlich den jeweiligen IEC-Gerätekomitees überlassen.
Die im Februar 2006 erschienene Norm IEC 60060-3 erweitert für Vor-Ort-Bedingungen die zulässigen Toleranzen der Prüfspannungen, gestattet größere Messunsicherheiten und vereinfacht die Anforderungen an die Spannungsmessung im Vergleich zu Laborprüfungen (IEC 60060-1 und -2). Damit wird den provisorischen Bedingungen vor Ort ebenso entsprochen wie der bisher vielfach geübten Praxis.
IEC 60060-3 beschreibt Prüfungen mit folgenden Spannungen:
- Gleichspannung, die mit einer Toleranz von ±3 % (±5 % bei Prüfdauer > 1 min) eingestellt und mit einer Unsicherheit ≤ 5 % gemessen werden muss
- Wechselspannungen im Frequenzbereich 10 Hz bis 500 Hz, wobei Toleranzen und Messunsicherheiten denen bei Gleichspannung entsprechen
- Blitzstoßspannungen mit aperiodischem (Stirnzeit 0,8 µs bis 20 µs) und schwingendem (15 ... 400 kHz) Verlauf, wobei die letzteren gegenüber den ersteren einen etwa doppelt so hohen Ausnutzungsfaktor des Stoßgenerators erlauben (Spannungstoleranz ±5 %, Messunsicherheit der Spannung ≤ 5 % und der Zeitparameter ≤ 10 %)
- Schaltstoßspannungen mit aperiodischem (Stirnzeit 20 µs bis 400 µs) und schwingendem (1 ... 15 kHz) Verlauf, Toleranzen und Messunsicherheiten wie bei der Blitzspannung.
Zusätzlich werden in der Norm zwei Spannungsformen beschrieben, die für diagnostische Offline-Messungen (z. B. Teilentladungs- oder Verlustfaktormessungen) vor allem bei Mittelspannungskabeln eingesetzt werden:
- Niedrigfrequenz-(Very Low Frequency (VLF)-)Spannungen mit einer Wellenform zwischen Rechteck und Sinus sowie Frequenzen im Bereich 0,01 Hz und 1 Hz, Toleranzen und Messunsicherheiten wie bei der Wechselspannung
- Gedämpfte Wechselspannungen mit Frequenzen von 20 Hz bis 1 000 Hz und Dämpfungsfaktoren (Differenz zwischen dem ersten und zweiten Scheitelwert) bis zu 40 %, Toleranzen und Messunsicherheiten wie bei der Wechselspannung.
Die Norm IEC 60060-3 ist zwar eng IEC 60060-1 und -2 angelehnt, aber für sich allein handhabbar, weil alle wichtigen Definitionen wiederholt werden. Sie wurde als Europäische Norm bereits ratifiziert und wird demnächst in das nationale Normenwerk als DIN EN 60060-3 (VDE 0432-3) übernommen. Deutsche Experten, u. a. im K 124 "Hochspannungs-Prüftechnik" der DKE, waren maßgeblich an der Erarbeitung der Norm IEC 60060-3 beteiligt.