DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE
DIN EN 61340-5-1
; VDE 0300-5-1:2017-07
Elektrostatik - Teil 5-1: Schutz von elektronischen Bauelementen gegen elektrostatische Phänomene - Allgemeine Anforderungen (IEC 61340-5-1:2016); Deutsche Fassung EN 61340-5-1:2016
Electrostatics - Part 5-1: Protection of electronic devices from electrostatic phenomena - General requirements (IEC 61340-5-1:2016); German version EN 61340-5-1:2016
Einführungsbeitrag
Dieser Teil 61340-5-1 der internationalen Normenreihe IEC 61340 "Elektrostatik" behandelt die notwendigen Anforderungen an Entwurf, Erstellung, Einrichtung und Aufrechterhaltung eines Kontrollprogramms gegen elektrostatische Entladungen (en: electrostatic discharge; ESD) für elektrische oder elektronische Teile, Komponenten und Geräte, die hergestellt, verarbeitet, montiert, installiert, verpackt, gekennzeichnet, betrieben, erprobt, geprüft oder anderweitig gehandhabt werden, und die empfindlich gegen Schädigungen sind durch elektrostatische Entladungen von gleich oder größer 100 V nach Human Body Model (HBM), 200 V nach Charged Device Model (CDM) und 35 V an isolierten Leitern. Isolierte Leiter wurden in der Vergangenheit durch das Machine Model (MM) repräsentiert. Der Grenzwert von 35 V bezieht sich auf das Niveau, das unter Verwendung von Ionisatoren nach dieser Norm erreichbar ist. Die MM-Prüfung ist nicht mehr für die Qualifizierung von Bauelementen erforderlich, sondern nur die HBM- und CDM-Prüfungen. Die MM-Prüfung wird in dieser Norm ausschließlich für die Prozesskontrolle von isolierten Leitern beibehalten. Jeder Kontakt und jede physikalische Trennung von Materialien oder Bewegung von festen Stoffen, Flüssigkeiten oder teilchengeladenen Gasen kann elektrostatische Ladungen erzeugen. Häufige Quellen von ESD beinhalten aufgeladenes Personal, aufgeladene metallische Leiter sowie aufgeladene gebräuchliche Kunststoffe und Prozesseinrichtungen. ESD-Schäden können auftreten, wenn: - eine aufgeladene Person oder ein aufgeladenes Objekt in Kontakt mit einem elektrostatisch empfindlichen Bauelement (ESDS) kommt; - ein ESDS in direkten Kontakt mit einer hochleitfähigen Oberfläche kommt, während es einem elektrostatischen Feld ausgesetzt ist; - ein aufgeladenes ESDS in Kontakt mit einer anderen leitfähigen Oberfläche kommt, die sich auf einem unterschiedlichen elektrischen Potential befindet. Diese Oberfläche kann geerdet sein, muss aber nicht geerdet sein. Beispiele von ESDS sind Mikroschaltkreise, Einzelhalbleiter, Dick- und Dünnfilmwiderstände, Hybridbauelemente, Leiterplatten und piezoelektrische Kristalle. Es ist möglich, die Empfindlichkeit der Bauelemente und Komponenten zu bestimmen, indem diese simulierten ESD-Ereignissen ausgesetzt werden. Die ESD-Spannungsfestigkeit, die durch Empfindlichkeitsprüfungen unter Verwendung simulierter ESD-Ereignisse bestimmt wurde, repräsentiert nicht unbedingt die Fähigkeit des Bauelements, einer ESD aus realen Quellen bei dieser Spannungsgröße zu widerstehen. Die Empfindlichkeitsstufen werden jedoch verwendet, um Grunddaten zur Empfindlichkeit für Vergleiche von Bauelementen mit gleicher Teilenummer von unterschiedlichen Herstellern festzulegen. Drei verschiedene Modelle wurden zur Qualifizierung von elektronischen Komponenten verwendet - Human Body Model (HBM), Machine Model (MM) und Charged Device Model (CDM). Derzeit werden Bauelemente nur unter Anwendung von HBM- und CDM-Empfindlichkeitsprüfungen qualifiziert. Basierend auf historischen Erfahrungen militärischer und auch kommerzieller Organisationen werden in dieser Norm die Anforderungen an ein ESD-Kontrollprogramm behandelt, die zur Aufstellung eines Programms zur Handhabung von ESDS erforderlich sind. Diese Norm beruht auf den folgenden grundlegenden Prinzipien zur ESD-Kontrolle: - Vermeidung einer Entladung jedes aufgeladenen, leitfähigen Objekts (Personal und vor allem automatische Handhabungseinrichtungen) in ein ESDS. Das kann erreicht werden, indem alle Leiter in der Umgebung, inklusive Personal, an eine bekannte oder virtuelle Masse (wie in Schiffen oder Flugzeugen) angeschlossen oder damit elektrisch leitend verbunden werden. Diese Verbindung erzeugt einen Potentialausgleich zwischen allen leitfähigen Gegenständen und dem Personal. Elektrostatikschutz kann auch bei einem Potential aufrechterhalten werden, das sich von einem "Null"-Volt-Erdpotential unterschiedet, solange alle leitfähigen Gegenstände im System auf dem gleichen Potential sind. - Vermeidung einer Entladung jedes aufgeladenen ESD-empfindlichen Bauelements. Die Aufladung kann dabei direkt durch Kontakt und Trennung erfolgen oder durch ein elektrisches Feld influenziert werden. Notwendige Isolatoren in der Umgebung können ihre elektrostatische Ladung nicht durch eine Verbindung mit Masse verlieren. Ionisationssysteme ermöglichen eine Neutralisierung von Ladungen auf diesen notwendigen Isolatoren (Leiterplattenmaterialien und einige Bauteilgehäuse oder -verpackungen sind Beispiele für notwendige Isolatoren). Die ESD-Gefährdung durch elektrostatische Ladungen auf den notwendigen Isolatoren am Arbeitsplatz wird bewertet, um sicherzustellen, dass geeignete, dem Risiko angemessene Maßnahmen eingeführt sind. - Sobald man sich außerhalb einer ESD-Schutzzone befindet (im Folgenden als EPA bezeichnet; en: electrostatic protected area), können die vorgenannten Elemente häufig nicht kontrolliert werden, weshalb eine ESD-Schutzverpackung erforderlich sein kann. ESD-Schutz kann dadurch erreicht werden, dass ESD-empfindliche Produkte mit elektrostatisch schützenden Materialien umhüllt werden, wobei der Materialtyp von Situation und Ort abhängt. Innerhalb einer EPA können elektrostatisch ableitfähige Materialien ausreichenden Schutz gewähren. Außerhalb einer EPA werden gegen elektrostatische Entladungen abschirmende Materialien empfohlen. Obwohl diese Materialien in dieser Norm nicht behandelt werden, ist es wichtig, die Unterschiede in ihrer Anwendung zu erkennen. Für weitere Informationen siehe IEC 61340-5-3. Jede Firma hat unterschiedliche Prozesse und wird somit auch eine unterschiedliche Mischung an ESD-Schutzmaßnahmen für ein optimales ESD-Kontrollprogramm benötigen. Maßnahmen sollten nach technischer Notwendigkeit ausgewählt und sorgfältig in einem ESD-Kontrollprogrammplan dokumentiert werden, so dass alle Betroffenen die Programmanforderungen sicher kennen. Schulung ist ein wesentlicher Bestandteil eines ESD-Kontrollprogramms, um sicherzustellen, dass das betroffene Personal die Ausrüstungen und Verfahren, die verwendet werden müssen, versteht, um mit dem ESD-Kontrollprogrammplan übereinzustimmen. Schulung ist auch wichtig für eine Steigerung der Kenntnis und des Verständnisses von ESD-bezogenen Themen. Ohne Schulung stellt das Personal häufig eine Hauptursache für ESD-Risiken dar. Mit Schulung wird das Personal zu einer effektiven ersten Schutzstufe gegen ESD-Schäden. Regelmäßige Kontrollen und Prüfungen zur Verifizierung der Einhaltung sind notwendig, um sicherzustellen, dass die Ausrüstung effektiv bleibt und dass das ESD-Kontrollprogramm in Übereinstimmung mit dem ESD-Kontrollprogrammplan korrekt implementiert ist. Dieser Teil von IEC 61340 gilt für Aktivitäten, bei denen elektrische oder elektronische Bauelemente, Baugruppen oder Geräte mit Spannungsfestigkeiten größer oder gleich 100 V bei HBM, 200 V bei CDM und 35 V bei isolierten Leitern, hergestellt, verarbeitet, montiert, installiert, verpackt, gekennzeichnet, gewartet, erprobt, geprüft, transportiert oder anderweitig gehandhabt werden. Elektrostatisch empfindliche Bauelemente mit niedrigerer Spannungsfestigkeit können möglicherweise zusätzliche Kontrollelemente oder angepasste Grenzwerte erfordern. Prozesse, die zur Handhabung von Elementen ausgelegt sind, die niedrigere ESD-Spannungsfestigkeit(en) aufweisen, können dennoch Übereinstimmung mit dieser Norm beanspruchen. Diese Norm stellt Anforderungen an ein ESD-Kontrollprogramm bereit. Diese Norm gilt nicht für elektrisch gezündete, explosive Einrichtungen, brennbare Flüssigkeiten, Gase und Pulver. Der Zweck dieser Norm ist es, die administrativen und technischen Anforderungen zur Erstellung, Einführung und Aufrechterhaltung eines ESD-Kontrollprogramms (im Folgenden als das "Programm" bezeichnet) bereitzustellen. Isolierte Leiter wurden in der Vergangenheit durch MM dargestellt. Zuständig ist das DKE/K 185 "Elektrostatik" der DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE.
Änderungsvermerk
Gegenüber DIN EN 61340-5-1 (VDE 0300-5-1):2008-07 wurden folgende Änderungen vorgenommen: a) Die technischen Anforderungen wurden angepasst, um IEC 61340-5-1 an die weiteren ESD-Standards der Industrie anzugleichen; b) Aktualisierung der Bezugsschriftstücke, um die zuletzt veröffentlichten IEC-Normen zu berücksichtigen; c) ein Abschnitt zur Produktqualifikation wurde hinzugefügt; d) Die Verpackungsanforderungen wurden aus dieser Norm herausgenommen und sind nun in IEC 61340 5-3 zu finden; e) Die Messmethode zum Überprüfen von Handgelenkerdungsbändern wurde aus dieser Norm herausgenommen und ist nun in IEC 61340-4-6 enthalten.