Aus der Normungspraxis: Die senetics healthcare group, Ansbach
Interview mit Dr. Wolfgang Sening, CEO
Weil Normen auch ethisch „unter die Haut gehen können“: senetics baut menschliche Hautmodelle im Labor nach, um Tests an Tieren zu reduzieren.
„Bei DIN können wir praktikable und handhabbare Normen konsequent auf den Weg bringen.“
Dr. Wolfgang Sening
Das Interview
Warum und seit wann sind Sie in der Normung aktiv?
Normen gehören für die Medizintechnik Branche zum täglichen Brot – also auch für senetics und unsere B2B Kunden – wir haben da ganz klare gesetzliche Vorgaben. Deshalb bin ich, seit ich senetics im Jahr 2009 gegründet habe, bei DIN in der Normung.
In welchen Normungsgremien arbeiten Sie mit?
Als Dienstleister für Medizinprodukte führen wir auch Testverfahren durch. Und um die ständig zu verbessern, bin ich im Normenausschuss Feinmechanik und Optik (NAFuO) aktiv. Dort arbeiten wir mit der ISO 10993 daran, die Biokompatibilität von Materialien weiter zu entwickeln. senetics verfolgt hier auch ein ethisches Ziel. Wir möchten Tierversuche so weit wie möglich reduzieren und haben dafür menschliche Hautmodelle in vitro nachgebaut.
Welche Normungsthemen sind in der Corona-Krise für senetics in den Vordergrund gerückt?
In der Pandemie haben wir deutlich mehr Prüfaufträge für Masken, Kittel und persönliche Schutzausrüstung bekommen und ausgeführt.
Wie hat die Corona-Pandemie Ihre persönliche Gremienarbeit beeinflusst?
Was die Kommunikation angeht, plädiere ich für eine gesunde Mischung aus online und offline. Mitunter sind ständige Mails und Webmeetings in hoher Schlagzahl ziemliche Zeitfresser. Dass wir dadurch weniger reisen bewerte ich positiv, aber auf persönliche Begegnungen möchte ich auch in Zukunft nicht verzichten.
Was ist Ihnen bei der Normungsarbeit besonders wichtig?
Mir geht es vor allem um Informationen und darum, den Stand der Technik voranzubringen. Deshalb müssen Normen meines Erachtens in der Praxis handhabbar sein – dafür setze ich mich ein.
Konnten Sie schon Normen auf den Weg bringen?
In diesem Jahr haben wir die DIN EN ISO 10993-5 von 2009/10 für Prüfungen auf In-vitro-Zytotoxizität neu überarbeitet. Diese Norm ist für uns und die gesamte Branche extrem wichtig.
Welche Vorteile hat senetics dadurch am Markt?
Der TÜV Hessen hat unser Qualitätsmanagementsystem nach DIN EN ISO 13485 zertifiziert. Wir verfügen über eine GLP-Bescheinigung und arbeiten nach ISO 17025. Dies sind unsere Eintrittskarten, um im Markt ernst genommen zu werden. Unsere Kunden achten darauf. Denn sie sind es, die im Prozess auf Unbedenklichkeit geprüfte Produkte vorhalten müssen. Wir testen die Produkte auf Zytotoxizität und stellen auf Basis unserer Anwendungsnormen die entsprechenden Prüfberichte aus.
An welchen Netzwerkveranstaltungen nehmen Sie teil – was vermissen Sie bei DIN?
Wenn Kongresse oder ähnliche Veranstaltungen anstehen, bin ich sehr gern dabei. Auch die Schulungsangebote von DIN finde ich interessant und nehme mir Zeit dafür. Direkt vermissen tue ich nichts bei DIN. Es wäre aber eine schöne Geste, wenn sie allen an der Normungsarbeit aktiv Beteiligten einen Rabatt auf Normen einräumen würden.
Welchen Tipp geben Sie Unternehmen, die in der Normung aktiv werden wollen?
Kommt darauf an, um wen es geht. Ganz jungen Unternehmen und Start-ups rate ich zur Vorsicht. Erst wenn sich ihr Geschäftsmodell am Markt festigen konnte, wenn sie die ersten drei Jahre überlebt haben, sollten sie in die Normung einsteigen.
Welche Zukunftsthemen kommen auf Ihre Branche zu? Wie können Normen dabei helfen?
Unsere Industrie steckt mitten in grossen Umstellungen. Aus den bisherigen drei EU-Richtlinien wurden jetzt zwei neue EU-Verordnungen MDR (Medical Device Regulation) sowie die IVDR (In- vitro Diagnostics Regulation). Aktuell ist bei vielen Firmen alles auf den alten Status ausgerichtet. Jetzt müssen wir und die gesamte Industrie die neuen Gesetze umsetzen und schauen, welche unserer vielen Normen jetzt noch harmonisiert sind. Das bedeutet für uns intern viel Arbeit.
Welche konkreten Ziele verfolgen Sie persönlich bzw. senetics mit der Normungsarbeit bei DIN, CEN oder ISO?
Bei der ISO 10993 und ihren vielen Unternormen wird es einen massiven Umbruch geben. Wir werden dabei sein und die Situation durch unsere Erkenntnisse, unser Wissen und unsere neuen Methoden in den Gremien gestalten.
Interview mit Dr. Wolfgang Sening, CEO
© senetics healthcare group
Standort: Ansbach
Branche: Medizintechnik/Healthcare
Mitarbeiterzahl: ~50
International tätig: Europa, USA, Asien