Aus der Normungspraxis: Die oneword GmbH, Böblingen

Interview mit Eva-Maria Tillmann – Dipl.-Übersetzerin, Fachleitung Qualitätsmanagement

Eva-Maria Tillmann, Dipl.-Übersetzerin, Fachleitung Qualitätsmanagement
© oneword GmbH

Weil auch Sprachdienstleistungen zeitgemäße Standards brauchen: oneword übersetzt die Herausforderungen der KI und Anforderungen der Auftraggeber in maßgeschneiderte Übersetzungsprozesse.

„Bei DIN mitzuarbeiten bedeutet für mich, in einer tollen Gruppe von Gleichgesinnten das wichtige Thema Qualität für unsere Branche voran zu bringen.“

Eva-Maria Tillmann

Das Interview

Warum und seit wann sind Sie in der Normung aktiv?
Die Branche der Sprachdienstleistungen erlebt seit Jahren einen starken Wandel durch KI, Automatisierung und Digitalisierung. Da war ich als Qualitätsmanagerin gefordert. So wurde oneword schon 2012 nach DIN EN 15038 und später nach der Nachfolgernorm ISO 17100 zertifiziert. Als 2018/19 die Themen Machine Translation und Posteditieren immer mehr an Bedeutung gewannen, haben wir uns zusätzlich nach ISO 18587 zertifizieren lassen. Ich selbst schreibe auch Artikel und halte regelmäßig Fachvorträge zu Übersetzungsqualität oder den Normen unserer Branche. Auf unserer Branchenmesse tekom wurde ich dann eines Tages angesprochen, doch bei DIN einzusteigen und aktiv in der Normung mitzumachen. Und das tue ich für oneword jetzt seit 2018.

In welchen Normungsgremien arbeiten Sie mit?
Im Normenausschuss „Terminologie“, in dem auch die Terminologen und Dolmetscher zuhause sind, engagiere ich mich im Unterausschuss NA 105-00-03-01 UA „Übersetzungsdienstleistungen“ und bin auch stellvertretende Obfrau. Wir sind eine relativ kleine Gruppe von acht Expert:innen, bearbeiten aber ein weites Feld rund um das Thema Übersetzen. Dazu gehören neben humanen Übersetzungsprozessen auch neuere Themen wie z. B. das Posteditieren von maschinell übersetzten Texten. In einem Arbeitskreis mit dem Gremium „Technische Redaktion“ erarbeiten wir auch einen Leitfaden für übersetzungsgerechtes Schreiben.

Welche Normungsthemen sind in der Corona-Krise für oneword in den Vordergrund gerückt?
Eigentlich hat sich für uns nichts verändert. Anders als in den Industrie-Branchen sind die Dienstleistungen von oneword seit jeher digital und elektronisch geprägt – neuerdings sogar sehr stark mobil.

Wie hat die Corona-Pandemie Ihre persönliche Gremienarbeit beeinflusst?
Wir treffen uns für die Gremienarbeit zwar nur noch online, dafür aber relativ häufig. Unser kleines Team kommt jetzt spontaner und schneller zusammen als vor der Pandemie. Leider ist durch Corona die analoge Annual Meeting Week in Brüssel für uns ausgefallen. Die entsprechenden Online-Veranstaltungen waren aber streckenweise schon sehr anstrengend, vor allem wenn viele Leute zugeschaltet sind. Ich muss sagen, dass die Meetings bei DIN in Berlin meines Erachtens aber online wie offline optimal organisiert sind.

Was ist Ihnen bei der Normungsarbeit besonders wichtig?
Ich bin immer auf der Suche nach neuen Impulsen für meine eigene Arbeit. Und ich will Probleme lösen. Mir ist wichtig, durch die Normung Standards zu setzen, die für eine hohe Qualität der Übersetzung und Vergleichbarkeit der zertifizierten Dienstleister sorgen, z. B. bei der Qualifikation der Übersetzer:innen. So dürfen wir z. B. keine Personen ohne entsprechende Ausbildung oder Berufserfahrung beauftragen, etwas, was ich für sehr wichtig halte, aber in der Branche leider oft umgangen wird.

Konnten Sie schon Normen auf den Weg bringen?
Ja, derzeit kann ich an drei Normen zu den Themen übersetzungsgerechtes Schreiben sowie Evaluierung von Übersetzungen und Übersetzungsprojekten mitarbeiten. In den Arbeitsgruppen haben wir Standards und Maßnahmen für die Durchführung von Übersetzungsprojekten oder die Bewertung von Übersetzungen definiert. Außerdem finden Kund:innen und Auftraggeber:innen darin Hilfestellung, wie man Texte, die übersetzt werden sollen, idealerweise schreibt und wie man Übersetzungen optimal plant und beauftragt. Häufig fehlt Kund:innen, z. B. bei Ausschreibungen, das Wissen über wichtige Voraussetzungen bzw. dass sie und wie sie selbst beitragen können zu schlankeren Prozessen und besserer Qualität.

Welche Vorteile hat oneword dadurch am Markt?
Die Normungsarbeit stärkt natürlich unsere Glaubwürdigkeit. Wir konnten unseren hohen Qualitätsanspruch inzwischen auch nach außen hin transportieren und festigen, was große Wettbewerbsvorteile mit sich bringt. oneword genießt allgemein einen guten Ruf. Auch unsere Zertifizierungen helfen dabei und sind gerade bei Ausschreibungen sehr wichtig.

An welchen Netzwerkveranstaltungen nehmen Sie teil – was vermissen Sie bei DIN?
Die Frage kommt für mich etwas früh. Ich bin ja erst 2018 in die Normung eingestiegen. Im Grunde vermisse ich nichts bei DIN. Wünschenswert wäre vielleicht ein IT-gestütztes Networking Tool, mit dem sich die Unternehmen im DIN laufend digital austauschen können. Auf Messen gibt es das schon als „Matchmaking“. Wir selbst kaufen auch lieber zertifizierte Dienstleistungen ein, ein DIN-Marktplatz für so etwas wäre toll für potenzielle Auftraggeber.

Welchen Tipp geben Sie Unternehmen, die in der Normung aktiv werden wollen?
Erst einmal als Gast an Sitzungen teilnehmen, das empfehle ich. Der Weg dahin ist kurz, man kann einfach an den entsprechenden Ausschuss schreiben, den findet man im Internet bei DIN. Und dann sollte man natürlich die richtige Person hinschicken. Es sollte jemand sein, der Spaß und Interesse an der Normungsarbeit hat. Mitunter sind die Prozesse bei DIN recht bürokratisch und formalistisch organisiert. Wer damit gut zurecht kommt, gern Leitfäden schreibt und eine Portion Kompromissbereitschaft und Teamfähigkeit mitbringt, ist richtig bei DIN. Auch den Zeitaufwand sollte man nicht unterschätzen. Ich bin in Hochphasen zwei bis drei Mal die Woche bis zu zwei Stunden in Meetings mit DIN oder auch ISO.

Welche Zukunftsthemen kommen auf Ihre Branche zu? Wie können Normen dabei helfen?
Maschinelle Übersetzung, Automatisierung und KI beeinflussen ganz viele Bereiche unserer Arbeit. Die Veränderungen bei uns gehen rapide voran. Deshalb wird Spezialisierung immer wichtiger, beispielsweise auf das Posteditieren. Kein Sprachdienstleister kann langfristig nur noch Humanübersetzungen anbieten, und diese neue Servicelandschaft erfordert auch neue bzw. ange- passte Normen für die Dienstleistungen.

Welche konkreten Ziele verfolgen Sie persönlich bzw. oneword mit der Normungsarbeit bei DIN, CEN oder ISO?
Innerhalb unserer überschaubaren Branche pflegen wir bereits ein gutes Netzwerk und möchten dieses weiter ausbauen, vor allem mit anderen qualitätsorientierten Sprach- und Übersetzungsdienstleistern weltweit.


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