Aus der Normungspraxis: Die DESMA Schuhmaschinen GmbH, Achim (Niedersachsen)

Interview mit Rebecca Leutritz, Redakteurin Technische Dokumentation

Rebecca Leutritz
© DESMA Schuhmaschinen GmbH

Weil Normung auch die Schuhproduktion am Laufen hält: DESMA ist startklar für digitale Prozesse und mehr Nachhaltigkeit.

„DIN bringt die Kleinen und die Großen auf Augenhöhe zusammen. Das finde ich großartig.“        
     
                                                                    Rebecca Leutritz

Das Interview

Warum und seit wann sind Sie in der Normung aktiv und welche Rolle spielt die DIN-Mitgliedschaft dabei? 
DESMA ist seit 2008 Mitglied bei DIN – hat davor aber bereits in den 90-er Jahren bei der Erarbeitung der DIN EN 1845 mitgearbeitet. Ich bin seit 2013 bei DESMA und habe die Normung von meinem Vorgänger geerbt. Als ich damals nach meinem Mechatronik Studium in die technische Dokumentation eingestiegen bin, kam das Thema direkt auf meinen Tisch. 

In welchen Normungsgremien arbeiten Sie mit? 
Ich arbeite im Normenausschuss NA 060-14-09 Maschinenbau mit. Mein Fokus liegt auf Reaktionsgießmaschinen, mit denen wir Kunststoffe für die Schuhherstellung verarbeiten. Unser Geschäftsführer, Herr Decker, engagiert sich darüber hinaus im Normenausschuss Circular Economy für textile Produkte und für die textile Wertschöpfung. 

Was ist Ihnen bei der Normungsarbeit besonders wichtig?
Dass Normen in der Praxis anwendbar bleiben. Die Konformität mit EU-Richtlinien muss gegeben sein, was zum Beispiel für die Anwendungssicherheit der Maschinen und für die CE-Kennzeichnung sehr wichtig ist. Regelungen, die darüber hinausgehen, können zu einem echten Kostentreiber werden. So kann es passieren, dass Vorgaben umgangen werden und eine Schnittstellenproblematik zwischen uns als Hersteller und den Anwendern entsteht. 

Welche Normungsthemen rücken durch Klimawandel, Nachhaltigkeit und Transformation für Ihr Unternehmen in den Vordergrund?
Ganz sicher wird sich die Art, wie wir Kunststoffprodukte verarbeiten, stark verändern – Stichwort Kreislaufwirtschaft. Dazu gehören auch textile Komponenten. Die Anforderungen an die kunststoffverarbeitende Branche, im Sinn der Nachhaltigkeit Rezyklate einzusetzen oder biobasierte Kunststoffe verarbeiten zu können, müssen wir mit der Anpassung unserer Maschinentechnik beantworten. So werden schon heute zerkleinerte Abfälle aus der Produktion wieder dem Sohlenmaterial beigemischt.

Haben Sie speziell dazu schon konkreten Bedarf an Normen festgestellt?
Ja, es gibt für bestimmte Formen der Schuhherstellung auf jeden Fall Bedarf an Normen. So kommen unsere Kunden immer wieder mit neuen Aufgaben oder Projekten zu uns. Wir sind ein Sondermaschinenbau und unsere Lösungen müssen CE-konform sein. Normen helfen dabei. Auch zur Digitalisierung der Schuhproduktion konnten wir schon eine Lösung erarbeiten – dabei geht es um die einheitliche Datenbasis zur Harmonisierung aller beteiligten Maschinen. Allerdings ist uns das ohne Norm mithilfe einer DIN SPEC gelungen.

Welchen Einfluss haben Normen auf die Lieferketten Ihres Unternehmens? 
Wir achten genau auf die CE-Konformität aller Komponenten, die von unseren Zulieferern kommen. Das funktioniert innerhalb der EU mit Normen. Und darauf verlassen wir uns.

Welche Zukunftsthemen kommen auf Ihre Branche zu und wie können Normen dabei helfen?
Die Schuhproduktion wird sich nach der Industrie 4.0 mit der Initiative Manufaturing-X weiter verändern und meiner Meinung nach auch verbessern. Anhand von 3D-Biometrien mit Fuß-Scans und Gangbildanalysen werden wir für jeden Menschen den 100 Prozent passenden Schuh herstellen können. Und das an dezentralen Produktionsstätten, die die Daten automatisiert austauschen. Auf diese Informationen können verschiedene Hersteller bzw. Marken zugreifen. So kommen wir von der Massenproduktion zur Individualisierung: Es wird weniger hergestellt, die Produktion wird nachhaltiger. 

Konnten Sie selbst schon Normen auf den Weg bringen?
Ja, das war 2014 die EN 1612 zur Sicherheit von Reaktionsgießmaschinen. Diese Norm nutzen wir, wenn mit unseren Maschinen statt Sohlen technische Artikel gefertigt werden sollen. 

Welche Vorteile hat Ihr Unternehmen bzw. haben Ihre Produkte dadurch am Markt?
Konformität ist unser Asset und unser Vorteil gegenüber Wettbewerbern aus Asien. Dort machen unsere CE-konformen EU-Normungsstandards meist viel Arbeit. Umgekehrt gestaltet es sich auch bei uns: Die an unseren Maschinen eingesetzten Druckbehälter müssen z. B. für den Einsatz in China nach chinesischen Vorgaben in getrennten Prozessen von den EU-Exporten ausgelegt und beschafft werden. Dabei können wir nicht alle Kosten an unsere Kunden weitergeben. Insgesamt gehört DESMA ja zu einem sehr kleinen Industriezweig. Deshalb spielt auch die Wirtschaftlichkeit von Normen für uns eine wichtige Rolle. 

Welche konkreten Ziele verfolgen Sie persönlich und/oder Ihr Unternehmen mit der Normungsarbeit bei DIN, CEN oder ISO?
Für mich persönlich ist und bleibt die aktive Mitarbeit bei DIN am wichtigsten. Mein Ziel ist es, mein kompetentes Netzwerk zu erhalten und auch weiter auszubauen. Immerhin bin ich bei DESMA die einzige Schnittstelle zur Normung, gleichzeitig sind alle im Unternehmen von meinen Inputs abhängig. 

Welche Vorteile haben Sie und DESMA durch Ihr Engagement im ANP, dem Netzwerk der Normen-anwender*innen?
Mit der Normung habe ich auch die Mitarbeit beim ANP von meinem Vorgänger übernommen. Meine Kolleginnen und Kollegen dort waren meine Lehrer und Mentoren. Sie haben mich in die Normenwelt eingeführt und mir geholfen, über den Tellerrand hinaus zu schauen. Im ANP bringen viele verschiedene Akteure ihre Probleme, Erfahrungen und Best Practices ein. Bei komplexen Normenwerken kann ich die Großen aus der Industrie fragen und bekomme immer die richtigen Antworten. Ich zapfe deren Wissen an und teile es mit meinen Kolleg*innen aus der Entwicklung und Konstruktion. 

An welchen Netzwerkveranstaltungen nehmen Sie teil – was vermissen Sie bei DIN?
Ich nehme sehr gern an Pitch-Veranstaltungen und Mitgliederversammlungen des ANP teil. Aktuell wurde ich für den September als Sprecherin zum Thema Normung in der Lehre eingeladen.

Welchen Tipp geben Sie Unternehmen, die in der Normung aktiv werden wollen?
Räumt der Normung im Unternehmen mehr Wert und Stellung ein. DIN ist kein großer Brocken, den man besser umschiffen sollte. Ich empfehle den Perspektivwechsel und Normung als Asset zu se-hen. Gerade KMU’s können bei DIN viel Know-how erwerben und ihren interdisziplinären Blick weiten. Normung ist der beste Weg zur CE-Konformität, was die Wirtschaftskraft des eigenen Unternehmens sichert. Dabeisein lohnt sich.

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Unternehmensgröße: Repräsentanzen auf allen Kontinenten, Vertrieb und Service in Amerika, Asien und Europa, Produktion in Deutschland
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Link: Schuhproduktion in der Industrie 4.0