Aus der Normungspraxis: Die Covestro AG, Leverkusen

Interview mit Dr. Achim Ilzhöfer, Global Circular Economy Manager

Dr. Achim Ilzhöfer, Global Circular Economy Manager
© Covestro AG

Weil die Pandemie unsere Gesellschaft zum Umdenken zwingt: Covestro treibt die Ressourcen
schonende Kreislaufwirtschaft konsequent voran.

„Es ist an der Zeit, dass wir Normen und Standards im Kunststoffrecycling und der Kreislaufwirtschaft
generieren und möglichst weltweit harmonisieren.“

 Dr. Achim Ilzhöfer

Das Interview


Warum und seit wann sind Sie in der Normung aktiv?
Schon in meiner ersten Position 1998 im italienischen Joint Research Centre der Europäischen
Kommission erlebte ich den Wert von Normen und Standards. Durch die nationale und auch
globale Harmonisierung von Bauteilen und Prozessen konnten wir bei Neuentwicklungen in der
Fusionsreaktortechnologie enorme Kosten und Ressourcen sparen. Solche Einsparungen zählen
vor allem dann, wenn Waren und Produkte überregional entwickelt, eingekauft und zu einer
Anlage zusammengebaut werden. Zwischen 2000 und 2002 wirkte ich als Industrieexperte über
VDI Richtlinien (z.B. VDI 2440) und die zukünftigen DIN V ENV 1591–2 (Ausgabe Oktober 2001)
an der Standardisierung von Messungen diffuser Emissionen mit. Seitdem bin ich für den
Umwelt- und Klimaschutz in der Normung im DIN/ISO Umfeld aktiv: Um Nachhaltigkeit global
durch Standards zu fördern – für meinen Arbeitgeber, die Industrie und uns Verbraucher.

In welchen Normungsgremien arbeiten Sie mit?
Als Kreislaufmanager bei Covestro arbeite ich in den beiden Normenausschüssen „Recycling von
Kunststoffen in der Kreislaufwirtschaft“ und „Circular Economy“ mit. Dort engagiere ich mich in
Arbeitsgruppen der beiden Ausschüsse. Ich will die Inhalte nicht nur redigieren, sondern aktiv im
Sinne der Kunststoffindustrie und der globalen Chancen einer Kreislaufwirtschaft mitgestalten.

Welche Normungsthemen sind in der Corona-Krise für Ihr Unternehmen in den Vordergrund
gerückt?

Hier beginne ich mit einem Statement von unserem Covestro CEO, Markus Steilemann, das im
Februar 2021 im Handelsblatt erschien: „Wir dürfen das rohstoffverzehrende System nicht
einfach wiederbeleben“. Das heißt, wir als Industrie müssen die Chancen und finanziellen
Möglichkeiten eines nachhaltigeren Wirtschaftens, die sich durch den grünen Wandel ergeben,
erkennen und ergreifen. So entstehen über die gesamte Wertschöpfungskette neue Optionen: Wir
sollten die Schnittstellen zwischen Abfallverwertern, Rohstofflieferanten, Produzenten und
Verbrauchern besser synchronisieren und Kreisläufe effizienter und nachhaltig schließen. Darin
liegt auch der Schwerpunkt unserer Normungsthemen, die meine Kolleginnen und Kollegen durch
Ihre Mitarbeit in Normungsgremien unterstützen.

Wie hat die Corona-Pandemie Ihre persönliche Gremienarbeit beeinflusst?
Was meine Work-Life Balance und den Klimaschutz angeht, sehr positiv. Meine Anreise nach
Berlin, die Zeit braucht und Emissionen erzeugt, entfällt. Aber auch die CO2 Emissionen unserer
digitalen Welt sollten wir nicht vernachlässigen. Die sehr gute Vorbereitung der DIN Kolleginnen
und Kollegen und die zunehmend stabilen Online-Meetings zeigen, dass Normungsarbeit auf
Abstand möglich ist. Dennoch fehlen mir die Sitzungen in Berlin. Die aktiven bilateralen
Diskussionen mit Experten aus anderen Bereichen in den Ausschusssitzungen aber auch beim
Mittagsimbiss waren enorm hilfreich, eigenes Wissen anzureichern und ebenfalls zu teilen. Ich
hoffe, wir bekommen post-pandemisch einen guten und gesunden Mix an Online- und Präsenz-
Treffen.

Was ist Ihnen bei der Normungsarbeit besonders wichtig?
Als überzeugter Europäer bin ich stolz auf die nationalen Stärken unserer Mitgliedsländer –
gleichzeitig bin ich als Ingenieur überzeugt von unserer deutschen Innovationskraft. Um
Innovationen aber nachhaltig in globalen Märkten zu etablieren, sind meines Erachtens globale
Standards für Prozesse und Produkte unabdingbar. Wie in einem guten Getriebe ist ein
gemeinsames Verständnis, also die Standardisierung, der Schmierstoff zum reibungslosen
Übertragen der Kräfte zwischen Nationen und Handelspartnern. Unter anderem darum lohnt es
sich, das Wissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Firmen für die Normungsarbeit
zu nutzen, um nachhaltige Themen wie die Kreislaufwirtschaft voranzubringen.

Konnten Sie schon Normen auf den Weg bringen?
Unsere Normungsarbeit ist ein „Teamerfolg“. Ich selbst konnte schon mehrfach mein Wissen und
die konstruktiv errungenen Textbausteine in Normen wiederfinden. Ich hoffe, dass wir im Bereich
der zirkulären Wirtschaft mit den sich derzeit entwickelnden Normen wirtschaftlich, aber vor
allem auch für unsere Kinder die Welt nachhaltiger gestalten und zunehmend auf fossile
Rohstoffe verzichten können. Das erreichen wir weltweit durch das Schließen der Kreisläufe und
einen aktiven Klimaschutz!

Welche Vorteile hat Ihr Unternehmen bzw. haben Ihre Produkte dadurch am Markt?
Mit Standards erreichen wir über Grenzen hinweg eine gemeinsame Wissensbasis und ein
technisches Arrangement, wie Prozesse und Produkte beschrieben werden. Das garantiert
Qualität in der Zusammenarbeit, in den Märkten, und dient dem Verbraucherschutz! Ebenso sind
wir bei Covestro überzeugt, unsere Produktivität und Effizienz mit Normung über die gesamte
Wertschöpfungskette hinweg zu steigern.

An welchen Netzwerkveranstaltungen nehmen Sie teil – was vermissen Sie bei DIN?
Wie die Normungsarbeit selbst, waren und sind DIN Workshops und Symposien geniale
Plattformen, um Expertinnen und Experten über Branchen hinweg kennenzulernen, Wissen
auszutauschen und Ideen zu generieren. Ich persönlich erinnere mich gerne an den Workshop
„Kunststoffrecycling – mit Normung den Kreislauf schließen“ und auch an das DIN Symposium
„Kunststoffrecycling 2.0“ zurück. Aus diesen Veranstaltungen haben sich unzählige Ideen und
Aktivitäten in den Ausschüssen wie auch in parallelen Kleingruppen ergeben. Ich vermisse genau
solche Veranstaltungen, welche zwar auch sehr professionell online vom DIN organisiert wurden,
jedoch diese oftmals bilateralen Diskussionen am Rande solcher Veranstaltungen zu kurz
kommen lassen!

Welchen Tipp geben Sie Unternehmen, die in der Normung aktiv werden wollen?
Wissen teilen und an Wissen partizipieren. Dieses Credo wird von vielen Firmen eher unter
Kostengesichtspunkten betrachtet statt als Chance, Expertinnen und Experten zielgerichtet in
Normungsausschüssen zu vernetzen und ihr Wissen für ihre Branche zu aktivieren. Jedes
Unternehmen nutzt Standards, wenige arbeiten aktiv an der Entwicklung von Standards mit.
Dabei gibt es gute Wege in die aktive Normungsarbeit – über die eigenen Verbände sowie mit
eigenen Expertinnen und Experten. In beiden Fällen ist folgendes zu prüfen: Welchen
Zukunftsmärkten oder Prozessen unterliegen die eigenen Produkte, werden aber nur bedingt von
Normen, die einen globalen Marktzugang erleichtern, gestützt. Genau hier liegt für Unternehmen
der mittel- und langfristige Vorteil bei der Mitarbeit in der Normung.

Welche Zukunftsthemen kommen auf Ihre Branche zu? Wie können Normen dabei helfen?
Zu den wichtigen Themen gehören Wiederverwertbarkeit und Recyclingfähigkeit unserer
Materialien. Wir wissen doch, dass es auf der Erde kreislauffähigen Kohlenstoff gibt, den wir aber
kaum nachhaltig nutzen. Das heißt, wir müssen alternative Rohstoffquellen erschließen und
Verfahrenstechnologien nach dem Vorbild der Natur entwickeln. Der Weg führt weg vom
einfachen explorieren fossiler Rohstoffe. Er führt hin zum Recycling und zur Kreislaufführung des
erneuerbaren Kohlenstoffs sowie zur Nutzung erneuerbarer Energie. Das Ziel ist ein aktiver Klimaund
Ressourcenschutz. Normung ermöglicht eine Verknüpfung der Wertschöpfungskette – vom
einheitlichen Begriffs- und Prozessbild bis hin zum klaren Verständnis der Rohstoffqualität – und
natürlich bis zum nutzbaren Produkt und seiner Wiederverwertung!

Welche konkreten Ziele verfolgen Sie persönlich bzw. Ihr Unternehmen mit der
Normungsarbeit bei DIN, CEN oder ISO?

Standards sind Teil der weltweiten Kommunikation und Harmonisierung – auf Technologie wie
auf Produktebene. Deshalb sollten Produkte schon beim Design auf Recyclingfähigkeit
ausgerichtet sein. Darüber möchten wir auf europäischer Ebene (CEN) und auf internationaler
Ebene (ISO) das gleiche Verständnis erreichen. Damit Produkte am Ende ihres Lebens als
Wertstoffe wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden.


Ihr Kontakt

DIN e. V.
Mitgliederservice

Tel: 030 2601-2020

Zum Kontaktformular  

Chemisches Recycling zur Wieder- verwertung weicher Schaumstoffe
© Covestro AG
Besseres Abfallmanagement und Entsorgungssysteme für das Recycling
© Covestro AG

Über die Covestro AG

Die Covestro AG Schließen

Unternehmensgröße: 7.600 Mitarbeiter an sechs Standorten in Deutschland
Branche: Chemie – Hersteller von Polymerwerkstoffen
Mitarbeiterzahl: 16.500 weltweit
Jahresumsatz: 10,7 Milliarden Euro
international tätig: 33 Produktionsstandorte in Europa, Nord- und Südamerika, Asien Pazifik,
Naher Osten und Afrika