Aus der Normungspraxis: Die BASF SE, Ludwigshafen

Interview mit Dr. Christian Krüger, Circular Economy Expert

Dr. Christian Krüger, Circular Economy Expert
© BASF SE

Weil auf dem Weg zur Klimaneutralität die Chemie stimmen muss: BASF geht mit nachhaltigen Lösungen für Kreislaufwirtschaft, Decarbonisierung und Lieferkettentransparenz voran.

„Für mich als Person wie als Unternehmensvertreter versammelt DIN die besten Kräfte für eine standardisierte und umweltgerechte Transformation unserer Wirtschaft.“

Dr. Christian Krüger

Das Interview

Warum und seit wann sind Sie in der Normung aktiv?
2019 wurde ich als Experte für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft bei BASF in die Normung bei DIN berufen. BASF ist schon lange Vorreiter im Bereich der Nachhaltigkeit. Wir engagieren uns seit Jahren in verschiedenen ISO-, CEN- und DIN-Gremien, z.B. im Umweltmanagement. Mein persönlicher Antrieb ist auch die Zusammenarbeit mit internationalen Experten. Denn bei den meisten Themen brauchen wir nicht nur Normen auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene.

In welchen Normungsgremien arbeiten Sie mit?
In den letzten Jahren nehmen die Aktivitäten in Zukunftsthemen wie der Kreislaufwirtschaft bei Kunststoffen allgemein Fahrt auf. Dafür ist die Lieferkettentransparenz ein wichtiges Thema geworden, deren Grundlagen in Normenausschüssen bearbeitet werden. Wir von BASF sind z.B. im DIN-Normenausschuss "Kunststoffe" und dort speziell im Arbeitsausschuss "Recycling von Kunststoffen in der Kreislaufwirtschaft" tätig. Ich selbst arbeite im DIN-Normenausschuss "Grundlagen des Umweltschutzes" in der "Rückverfolgbarkeit von Lieferketten“ mit. Dort werden die Definitionen und Regeln für die verschiedenen Lieferkettenmodelle wie die Massenbilanzierung erarbeitet.

Welche Normungsthemen sind in der Corona-Krise für BASF in den Vordergrund gerückt?
Die Chemie gehört zu den energieintensivsten Industrien der Welt. Bei Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen tragen wir daher eine besondere Verantwortung für die Transformation der Wirtschaft. Und die ist in der Corona-Krise nochmal deutlicher geworden. Themen wie Kreislaufwirtschaft, CO2-Emissionen und die Lieferkettentransparenz sowie die Digitalisierung sind bei uns viel stärker in den Fokus gerückt.

Wie hat die Corona-Pandemie Ihre persönliche Gremienarbeit beeinflusst?
In den Gremien arbeiten wir absolut konsensorientiert. Durch die Einschränkungen in der Pandemie leidet die Qualität unserer Zusammenarbeit. So haben wir uns auf internationaler Ebene mindestens 1x im Jahr persönlich zur Plenarsitzung getroffen. Das war wichtig, um komplexe Themen mit den verschiedenen Experten aus der Welt zu diskutieren. Heute finden alle Treffen ausschließlich digital statt. Das reduziert den Austausch in kleinen und größeren Gruppen und erschwert die Konsensbildung. Andererseits nimmt die Agilität in den Sitzungen zu, d.h. wir bringen Themen schneller voran – manche sehen darin einen Vorteil.

Was ist Ihnen bei der Normungsarbeit besonders wichtig?
Die Normungsarbeit basiert auf dem Multistakeholderansatz. Dabei müssen Experten aus jedem interessierten Land und verschiedenen Disziplinen angehört werden. Nur so können wir sicherstellen, dass Normen im Konsens erarbeitet wurden. Das ist wichtig für die internationale Akzeptanz der Normen. Mir persönlich liegt dabei der gegenseitige Respekt gegenüber verschiedenen Expertenmeinungen am Herzen. Zuhören und Verstehen sind meines Erachtens bessere Strategien als Dominanz und Durchsetzungswille.

Konnten Sie schon Normen auf den Weg bringen?
Ich bin sehr froh, dass nach langen Diskussionen im Herbst 2020 die Basisnorm zu den verschiedenen Lieferkettenmodellen (ISO 22095) veröffentlicht werden konnte. Die Norm wurde von ISO als horizontale Norm anerkannt. Jetzt müssen andere ISO-Gremien die Norm in ihrer Arbeit berücksichtigen. Im Zuge dessen konnte ich zusammen mit dem NEN – das ist die niederländische DIN – auch das Thema Spezifizierung der Massenbilanzierung anstoßen.

Welche Vorteile hat BASF bzw. haben BASF Produkte dadurch am Markt?
BASF ist nicht nur im eigenen Interesse in der Standardisierung aktiv, sondern auch im Interesse der gesamten Branche. Denn es ist wichtig, dass es in diesem Bereich globale Standards gibt, an die sich möglichst viele halten. Daher freut es mich, dass auch andere Chemieunternehmen und Abnehmerindustrien wie die Automobil-, die Verpackungs- oder die Bauindustrie in der Normung aktiv sind. Nur gemeinsam mit allen Partnern entlang der Wertschöpfungskette, von den Lieferanten über die Kunden bis zum Handel, schaffen wir eine glaubwürdige Transparenz entlang der Lieferkette.

An welchen Netzwerkveranstaltungen nehmen Sie teil – was vermissen Sie bei DIN?
Ich arbeite an der Schnittstelle unterschiedlicher Themen. Das sind zum einen die Nachhaltigkeit, CO2-Emissionen und die Kreislaufwirtschaft, zum anderen die Digitalisierung sowie verschiedene Materialien und Anwendungen, und schließlich auch Konformitätsbewertungen. Diese Komplexität macht es schwierig, den Überblick über die verschiedenen Neuerungen mit Normrelevanz zu behalten. Konkret würde ich mir von DIN ein aktiveres Netzwerk zur Kreislaufwirtschaft mit regelmäßigen Treffen und einem Portal zum Informationsaustausch wünschen.

Welchen Tipp geben Sie Unternehmen, die in der Normung aktiv werden wollen?
Die Normungslandschaft in Deutschland und darüber hinaus ist ziemlich komplex. Deshalb empfehle ich interessierten Unternehmen, sich zunächst einen groben Überblick zu verschaffen, auch über die aktiven Stakeholder. So gelingt es, im richtigen Gremium und an den richtigen Themen mitzuarbeiten, sonst verliert man schnell das Interesse an der Normung.

Welche Zukunftsthemen kommen auf Ihre Branche zu? Wie können Normen dabei helfen?
Die chemische Industrie ist nach wie vor als vorwiegend lineare Wirtschaft organisiert. Gleichzeitig stehen wir bei der weiteren Senkung von CO2-Emissionen vor großen Herausforderungen. D.h. der Weg zur Kreislaufwirtschaft und zur klimaneutralen Herstellung von Produkten ist noch lang. Deshalb setze ich auf internationale Normen – nur die helfen, z.B. die Zirkularität von Unternehmen oder die Anwendung von Lieferkettenmodellen zu messen. Beides wird die Glaubwürdigkeit entlang der gesamten Lieferkette gegenüber verschiedenen Interessensgruppen aus Politik, Investoren und Konsumenten erhöhen.

Welche konkreten Ziele verfolgen Sie persönlich bzw. BASF mit der Normungsarbeit bei DIN, CEN oder ISO?
Wir müssen für die Industrie anwendbare Normen von hoher Qualität entwickeln. Das betrifft nicht nur BASF und andere deutsche Unternehmen. Auch Europa allein reicht nicht mehr aus. In diesen Zeiten ist die gesamte industrielle Welt gefordert. Deshalb sind wir schon seit Jahren in verschiedenen Normungsgremien bei ISO, CEN und DIN aktiv.

 

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