Aus der Normungspraxis: Der BDE (Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e.V.), Berlin

Interview mit Dr. Andreas Bruckschen, Geschäftsführer

Dr. Andreas Bruckschen, BDE
© BDE, Berlin

Weil Normen die Zusammenarbeit stärken: Der BDE unterstützt Normung für innovative Lösungen entlang aller Stoffströme in der Circular Economy. 

„Bei DIN begeistert mich das Engagement aller Beteiligten in der industriellen Wertschöpfungskette.“

Dr. Andreas Bruckschen

Das Interview

Warum und seit wann sind Sie in der Normung aktiv? 
Mich bewegt vor allem die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft – speziell bei Kunststoffen. Schon in den 90er Jahren wurde mit der „Grüne Punkt“ das Recycling von Kunststoffverpackungen vorangebracht. Heute wollen wir flächendeckend Rezyklate in den Markt bringen. Und zwar entlang von Leitplanken, auf die sich die gesamte Wertschöpfungskette verständigt hat. Diese Notwendigkeit hat mich persönlich motiviert, vor einigen Jahren stärker in die Normung einzusteigen. Der BDE insgesamt ist schon seit Jahrzehnten in der Normung aktiv.

In welchen Normungsgremien arbeiten Sie mit?  
Ich engagiere mich besonders in der Normungs-Roadmap Circular Economy und bin dort auch im Fachbeirat vertreten. Die Roadmap bildet zahlreiche Stoffströme entlang der Wertschöpfungskette ab. Von daher war es mir auch eine große Freude, auf der weltgrößten Umweltmesse ifat gemeinsam mit  Benjamin Hein, dem Leiter Geschäftsfeldentwicklung Circular Economy, die Normungsroadmap unter dem Titel „Standards setzen - Kreisläufe schließen - Lieferketten absichern“ vorzustellen.

Welche Normungsthemen sind in der Corona-Krise für den BDE in den Vordergrund gerückt?  
Corona hat die weltweiten Lieferketten unterbrochen. Das macht Kreislaufwirtschaft wichtiger denn je, weil nur auf diese Weise die Rohstoffe im eigenen Land gesichert werden können. Die Pandemie wirkte somit als Beschleuniger für den Bedarf der Industrie an nachhaltigen Lösungen. Und damit stieg gleichzeitig die Bedeutung der Normung. Wenn bspw. Automobilhersteller sicherheitsrelevante Bauteile wie Stoßstangen aus Kunststoffrezyklat einsetzen, wird dies schon aus Haftungsgründen ohne Normung kaum gehen. Da kann auch die Digitalisierung in der Normung helfen, wenn alle Codes für das Recycling entlang der gesamten Wertschöpfungskette spezifiziert werden. 

Wie hat die Corona-Pandemie Ihre persönliche Gremienarbeit beeinflusst?  
Das digitale Format des Austauschs ist für mich Fluch und Segen zugleich. Positiv ist die Effizienz zu sehen, mit der Meetings ohne Reiseaufwand organisiert werden können. Gleichzeitig wachsen sich die digitalen Termine zu echten Zeitfressern aus. Jeder kann schnell und unkompliziert ein Treffen anberaumen – manchmal wird es einfach zu viel.

Was ist Ihnen bei der Normungsarbeit besonders wichtig?  
Ganz eindeutig der Dialog mit allen Beteiligten in der Wertschöpfungskette, um maximale Praxistauglichkeit zu erreichen. Es ist wichtig, den Normungsprozess nicht zu akademisch und vor allem nicht zu politisch zu gestalten. Es kann nicht darum gehen, partikulare Interessen durchzusetzen, sondern Lösungen, die für alle nachhaltig tragfähig sind, auszugestalten. Die Unternehmen müssen damit dann in der Praxis gut arbeiten können. 

Konnten Sie schon Normen auf den Weg bringen?  
Der BDE hat bei sehr vielen Normungsprojekte intensiv mitgewirkt. Ich selbst habe zuletzt viele Erkenntnis bei meiner Mitarbeit an der DIN SPEC 91446 „Klassifizierung von Kunststoff-Rezyklaten durch Datenqualitätslevels für die Verwendung und (internetbasierten) Handel“ gewinnen können.  

Welche Vorteile hat der BDE dadurch am Markt?  
Unser Verband vertritt ca. 750 Unternehmen, übrigens auch mit einem Büro in Brüssel. Wir sind ein wesentlicher Teil der Kreislaufwirtschaft und verfolgen wie DIN das Ziel, den industriellen Einsatz von Rezyklaten zu optimieren. Insofern erhöhen wir durch den Schulterschluss mit DIN die Reichweite und Wirksamkeit unserer Maßnahmen. 

An welchen Netzwerkveranstaltungen nehmen Sie teil – was vermissen Sie bei DIN?  
Für den BDE darf ich in unzähligen Gremien und Institutionen mitwirken. Dabei geht es immer um die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft. DIN ist dabei ein wichtiger Bestandteil des gesamten Netzwerkes. Die große Aufgabe wird es sein, praxistaugliche Normen, die die Zusammenarbeit nicht erschweren, sondern erleichtern, in der Kreislaufwirtschaft konkret zu verankern. Das ist für alle Beteiligten noch immer Neuland. 

Welchen Tipp geben Sie Unternehmen, die in der Normung aktiv werden wollen?  
Dabeisein lohnt sich definitiv. Es erfordert aber jede Menge zeitliche und personelle Ressourcen. Gerade für kleine Unternehmen, Startups und Mittelständler kann das schwierig werden, weil man für die Normung qualifizierte Mitarbeiter mit sehr spezifischem Fachwissen braucht. Aber genau diese Fachleute und die vielen kleinen Unternehmen benötigen wir für eine erfolgreiche Normungsarbeit. 

Welche Zukunftsthemen kommen auf Ihre Branche zu? Wie können Normen dabei helfen? 
Die große Herausforderung liegt darin, in allen Materialströmen hochwertige Rezyclate in den notwendigen Mengengerüsten zur Verfügung zu stellen. Das fordert alle Beteiligten bei der Erfassung, der Weiterverarbeitung und der recyclinggerechten Produktion, wodurch sich der Kreislauf wieder schließen kann. Ohne Normen zwischen den einzelnen Wertschöpfungen wird dies nicht gehen. 

Welche konkreten Ziele verfolgen Sie persönlich bzw. der BDE mit der Normungsarbeit bei DIN, CEN oder ISO? 
Neben der konkreten Normungsarbeit freut es mich, daran mitwirken zu können, die Normungsroadmap auf den Weg zu bringen. Sie kann dazu beitragen, gelebte Produktverantwortung zu etablieren und zu harmonisieren. Ein Hersteller denkt anders als ein Recycler  – ganz gleich, ob es um Batterien, Textilien, Verpackungsmaterialien oder um Elektrogeräte geht. Deshalb sollte die Recyclingfähigkeit von Anfang an in den Produkten mitgedacht werden. Die Digitalisierung wird dabei eine wichtige Rolle spielen. 

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