Normungsroadmap Circular Economy
Wegweiser für die Normung und Standardisierung der Circular Economy
Die Normungsroadmap von DIN, DKE und VDI gibt einen Überblick über den Status Quo der Normung im Bereich Circular Economy, beschreibt Anforderungen und Herausforderungen für sieben Schwerpunktthemen und formuliert konkrete Handlungsbedarfe für zukünftige Normen und Standards.
Wichtige Unterstützung der Klimaziele
Bei der Erreichung der Ziele des Green Deals und Klimaschutzgesetzes 2021 kommt der Circular Economy eine besondere Bedeutung zu. Um die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen, braucht es jetzt neue und überarbeitete technische Regeln für das zirkuläre Wirtschaften. Die Normungsroadmap Circular Economy legt hierfür den Weg fest und treibt so die grüne Transformation Deutschlands und Europas voran.
Die Inhalte der Roadmap wurden von Vertreter*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlicher Hand und Zivilgesellschaft erstellt. 550 Expert*innen der Circular Economy haben ihre Ideen eingebracht. Die Erarbeitung der Normungsroadmap erfolgte in sieben Arbeitsgruppen – entsprechend der sieben Themenschwerpunkte des Circular Economy Action Plans. Auf dieser Seite finden Sie eine Übersicht aller bereits existierender Normen und Standards zur Circular Economy thematisch sortiert aufbereitet.
Mitwirkung zur Umsetzung der Ergebnisse erwünscht
Für die Umsetzung der Ergebnisse und aktiven Begleitung der nun anstehenden Normungsarbeiten freuen sich DIN, DKE und VDI über interessierte Expert*innen aus der Circular Economy. Die Umsetzung der Normungsbedarfe wird dazu beitragen, den Übergang von der linearen zur zirkulären Wirtschaft zu beschleunigen. Interessierte Fachleute können sich auf der Kollaborationsplattform DIN.ONE über die nächsten Schritte und Mitwirkungsmöglichkeiten informieren.
Die Roadmap war das erste Projekt des im Jahr 2021 gegründeten DIN/DKE-Fachbeirats Circular Economy in der DIN-Koordinierungsstelle Umweltschutz (KU). In ihm sind führende Köpfe und Expert*innen aus Wirtschaftsverbänden, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Wissenschaft und Forschungseinrichtungen sowie öffentlicher Hand vertreten und unterstützen nun auch die Umsetzung der Ergebnisse der Normungsroadmap.
Schwerpunkt- und Querschnittsthemen
Die Normungsroadmap Circular Economy stellt sieben Schwerpunktthemen in den Mittelpunkt für die über 200 Normungsbedarfe identifiziert wurden. Diese orientierten sich an den Fokusthemen des Circular Economy Action Plans der EU.
Zudem wurden im Rahmen der Erarbeitung die fünf Querschnittsthemen Nachhaltigkeitsbewertung, Lebensdauerverlängerung, Digitaler Produktpass (DPP), End of Waste (EoW) sowie Recyclingfähigkeit identifiziert, die für alle sieben Schwerpunktthemen von hoher Relevanz sind und daher auch umfassend im Zuge der Umsetzung betrachtet werden.
Schwerpunktthemen Normungsroadmap Circular Economy
Jedes Normungsvorhaben im Bereich Circular Economy basiert auf grundsätzlichen Informationen, Begrifflichkeiten und Konzepten der Circular Economy - unabhängig davon, ob es um Normen in der Elektrotechnik, in der Verpackungsbranche, im Bauwesen oder in anderen Bereichen geht. Digitalisierung, Geschäftsmodelle und Management beschreibt deshalb Ansatzpunkte für die grundlegende Normung zu Circular Economy. Zudem wird erläutert, welche Herausforderungen bei der Operationalisierung einer Circular Economy zu erwarten sind und wie Normen Hindernisse abbauen können.
Mit einem Umsatz von fast 200 Milliarden Euro und mehr als 871.000 Beschäftigten im Jahr 2021 ist die Elektro- und Elektronikindustrie nach dem Maschinenbau der zweitgrößte Industriezweig Deutschlands. In einer Circular Economy müssen Produkte dieser Branche möglichst gemäß der „R-Strategien“ designt werden. Diese Strategien beschreiben Ansätze, um Produkte und Materialien im Kreislauf zu führen. Die Möglichkeiten reichen von Refuse bis Recycle. Normen und Standards können Unternehmen entlang der Umsetzung der R-Strategien an vielen Stellen helfen. Ebenso profitieren Verbraucher*innen von eindeutig definierten Anforderungen - etwa, wenn es darum geht, die Zirkularität von Produkten zu bewerten oder Produkteigenschaften digital abzubilden. Transparenz ist insbesondere bei wiederverwendeten oder aufgearbeiteten Produkten wesentlich. Normung stärkt das Vertrauen der Verbraucher*innen in deren Qualität und erhöht die Chancen auf eine Zweitverwendung.
CO2-neutral gewonnene Elektrizität soll künftig die zentrale Energieform sein. Eine Voraussetzung zum Gelingen dieser Transformation sind insbesondere Batteriespeichersysteme. Auch angesichts der Verkehrswende hin zu einem emissionsfreien Individualverkehr mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen werden Batterien immer wichtiger. Im Sinne einer Circular Economy wird es entscheidend sein, Batterien auch sektorübergreifend zu betrachten - also die Nutzung verschiedener Speicher in vielen Anwendungen zu ermöglichen. Reparatur, Umnutzung und Recycling müssen ebenfalls machbar sein. Normung und Standardisierung kann in diesem Bereich auf die anstehende EU-Batterieverordnung (BattVO) aufsetzen, die den GREEN DEAL und den CIRCULAR ECONOMY ACTION PLAN der EU verfolgt.
Verpackungen schützen Produkte. Sie helfen auch, Lebensmittelabfälle zu vermeiden, indem sie die Mindesthaltbarkeit erhöhen. Diesen Vorteilen steht gegenüber, dass Verpackungen noch überwiegend linear genutzt werden. Nach Gebrauch werden sie zu Abfall, der je nach Material recycelt und in den Kreislauf zurückgeführt, oft aber auch nicht weiterverwertet wird. Allein in Deutschland fallen laut Umweltbundesamt jährlich rund 19 Millionen Tonnen an Verpackungsabfällen an - Tendenz steigend. Normen und Standards sind elementar, um zirkuläre Verpackungssysteme zu gestalten. Die Normungsroadmap Circular Economy thematisiert unterschiedliche Ansätze: vom Verpackungsdesign über zirkuläre Infrastrukturen für Sortierung und Verwertung bis hin zur Konformität von Rezyklaten.
Kunststoff ist als vielfach verwendeter Werkstoff aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Er lässt sich gut verarbeiten und flexibel einsetzen, ist langlebig und recyclingfähig. Für einen verantwortungsvollen Umgang mit Kunststoffen müssen sich Akteur*innen der Lieferkette mit dem Einsatz von Primär- und Sekundärkunststoffen, der Lebensdauer von Produkten, der Wiederverwendung und dem Recycling auseinandersetzen. Die Normungsroadmap Circular Economy nennt Normungs- und Standardisierungsbedarfe im Bereich Kunststoffe mit Bezug auf die neun R-Strategien. Themen sind unter anderem:
- Nachhaltigkeitsbewertung
- Inputströme / Traceability / Digitaler Produktpass
- Qualitätsanforderungen
- Recyclingfähigkeit
- Chemisches Recycling
- Mechanisches Recycling
Laut dem Faktenpapier „Nachhaltige und kreislauffähige Textilien bis 2030“ der EU-Kommission ist der europäische Textilverbrauch nach Lebensmittelerzeugung, Wohnen und Mobilität die viertgrößte Ursache für Umweltbelastung und Klimawandel. Der Textilsektor ist deshalb auch Thema des Circular Economy Action Plans der EU-Kommission. Ziel ist es, dessen negative Einflüsse auf Umwelt und Klima zu minimieren. Dazu muss sich das lineare Geschäftsmodell ändern - hin zu einer zirkulären Produktion und zirkulärem Design sowie zu langlebigen Produkten, Wiederverwendung und zu Recycling. Die Expert*innen konzentrieren sich in der Normungsroadmap Circular Economy auf Normungsbedarfe in zwei Bereichen:
- Bekleidungstextilien: Dazu gehören auch Medizin- und Arbeitsbekleidung, ebenso Kleidung für die persönliche Schutzausrüstung.
- Heimtextilien: Dazu zählen beispielsweise Decken, Bettwäsche,
Gardinen und andere.
Diese machen, im Vergleich zu technischen Textilien, den überwiegenden Teil des Konsums in Deutschland aus.
So positiv sich der Bausektor auf viele Wirtschaftszweige, Arbeitsplätze vor Ort und die Lebensqualität der Menschen auswirkt, so enorm ist der Ressourcenverbrauch. Die Branche verantwortet laut EU-Kommission etwa 50 Prozent der Rohstoffgewinnung in der Europäischen Union, meist primäre Rohstoffe. Zugleich entfallen auf den Baubereich auch mehr als 35 Prozent des Abfallaufkommens in der EU. Zudem gehen weltweit fast 40 Prozent des CO2-Ausstoßes auf den Bausektor zurück. Doch es wird gegengesteuert: Die EU-Taxonomie-Verordnung soll als Teil des European Green Deals Investitionen in klimafreundliche Vorhaben lenken und sogenanntes „Greenwashing“ verhindern.
Querschnittsthemen Normungsroadmap Circular Economy
Nachhaltigkeitsbewertungssysteme sind eine wichtige Basis des Informationsmanagements in einer Circular Economy. Die Bewertung von Nachhaltigkeit und speziell von Zirkularität kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen, etwa auf Produkt- oder Unternehmensebene. Um Aussagen bewerten zu können, müssen die Berechnungen vergleichbar sein. Bei den Systemen spielen Informationsbeschaffung, Bewertung und Wirkungsabschätzung sowie Aufbereitung der Daten eine wichtige Rolle. Normen und Standards stützen und operationalisieren diese Bewertungssysteme. In ihnen kann beschrieben werden, wie diese Systeme grundlegend aufgebaut sein können. Und ebenso, wie sich ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit bewerten lassen. All dies trägt zu einem gemeinsamen Verständnis sowie zur Orientierung bei und stellt sicher, dass Informationen vergleichbar sind.
Sollen Produkte länger genutzt werden, lassen sie sich unter anderem wiederaufbereiten und an andere Nutzer*innen verkaufen. Entscheidend für die Wahl eines gebrauchten Produktes war bisher der (hohe) Preis der Neuware. Ein Gebrauchtmarkt ist bisher vor allem bei der Mobilität vorhanden, mittlerweile aber auch bei Elektronikgeräten entstanden. Weitere Sektoren fehlen noch. Für Industriekunden ist ebenfalls oft der Preis ausschlaggebend: Wenn Rezyklate teurer sind, wird eher zur qualitativ mindestens gleichwertigen, kostengünstigeren Neuware gegriffen. Um Reparatur, Wiederverwendung und gegebenenfalls Umnutzung von Produkten zu fördern, braucht es auch eine Verhaltensänderung im Konsum. Hier können neue Geschäftsmodelle entstehen - von Leasing- bis zu Verleihangeboten - deren Qualitätsanforderungen oder Schnittstellen mit bestehenden Prozessen in Normen und Standards beschrieben werden können.
Der Digitale Produktpass ist themenübergreifend ein zentrales Instrument, um eine Circular Economy aufzubauen. Batterien werden die erste Produktgruppe sein, für die ein DPP verpflichtend eingeführt wird. Doch auch weitere Branchen verfolgen bereits entsprechende Konzepte, beispielsweise mit dem Gebäuderessourcenpass. Grundsätzlich wird der DPP sein Potenzial dann entfalten können, wenn eine anforderungs-, sektor- und systemübergreifende Interoperabilität erreicht wird. Die EU-Kommission verweist in der ECODESIGN FOR SUSTAINABLE PRODUCTS REGULATION (ESPR) bereits an mehreren Stellen auf die Rolle von Normung und Standardisierung für den DPP.
Aus den sieben Schwerpunktthemen der Normungsroadmap ergeben sich Themenfelder, die für die Recyclingfähigkeit von Produkten oder Materialien wesentlich sind. Eines behandelt die Begriffswelt: Grundsätzlich braucht es einheitliche, genormte Definitionen der verwendeten Begriffe - insbesondere ist festzulegen, was überhaupt unter Recyclingfähigkeit zu verstehen ist. Nur so sind Verwirrung, Missverständnisse und nicht zuletzt ein Vertrauensverlust vermeidbar. Weitere Normungsbedarfe mit Bezug zu Recyclingfähigkeit lassen sich außerdem zu den Themenfeldern Design 4 Recycling / Zirkularität; Erfassung, Sammlung und Sortierung; Information und Kommunikation sowie zur Erfassung und Bewertung von Substanzen ermitteln.
Eine der Schlüsselstrategien der Circular Economy ist das Recycling von Abfällen, um diese wieder in Produktionsprozesse zurückzuführen. Aus den Abfällen sollen deshalb frei handelbare Sekundärrohstoffe werden. Deren Herstellung verbraucht in der Regel deutlich weniger Ressourcen und verursacht weniger CO2-Emissionen als es bei Primärrohstoffen der Fall ist. Abfall ist damit ein Wertstoff - der Rohstoff von morgen. Doch damit recycelter Abfall bei Import und Export nicht denselben strengen Vorgaben unterliegt wie herkömmlicher Abfall, braucht es klare Vorgaben. Die Europäische Abfallrahmenrichtlinie definiert Anforderungen an sogenannte End-of-Waste-Kriterien: Anforderungen an Rezyklate und ihre Behandlungsprozesse, bei deren Erfüllung nicht mehr das Abfallrecht, sondern das Produktrecht Anwendung finden soll. Normen und Standards können entlang der technischen Umsetzung unterstützen.