DIN SPEC
DIN SPEC 96017
Technische Einflussfaktoren bei der Fertigung von Orthesen mit Schmelzschichtverfahren; Text Deutsch und Englisch
Technical influencing factors in the production of orthoses with Fused Filament Fabrication; Text in German and English
Verfahren
PAS
Einführungsbeitrag
Wie nur wenige andere Technologien hat die additive Fertigung das Potenzial, die Herstellung von Medizinprodukten zu verändern. Bis dieses Potenzial erkannt und umgesetzt wurde, hat es erstaunlich lange gedauert. Seit der Erfindung der Stereolithographie im Jahr 1983 haben sich verschiedenste Fertigungsverfahren etabliert und eine große Anzahl von Lösungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung. Die Vorteile für die Anwendung wie zum Beispiel Gestaltungsfreiheit, Individualisierung, Geschwindigkeit und Reproduzierbarkeit, sind besser als traditionelle Produktionsverfahren in der Orthopädietechnik. Bei komplexen Strukturen oder variierenden Materialstärken stoßen diese etablierten Verfahren jedoch an ihre Grenzen. Gilt es beispielsweise mehrere Funktionen in einem Produkt zu vereinen, so werden meist einzelne Bauteile von Hand zu einer fertigen Orthese zusammengefügt, was mit einem hohen Zeitaufwand verbunden ist. So ist es möglich, additiv gefertigte Orthesen gezielter auf den Patienten abzustimmen als bisher. Auch optisch lässt sich das Hilfsmittel relativ einfach und kostengünstig individualisieren. Auf Wunsch des Patienten können Muster im Werkstück abgebildet werden, ohne den Produktionsprozess zu verlängern. Somit erscheint es notwendig, sich mit der Implementierung der additiven Fertigung und den daraus resultierenden Konsequenzen und Potenzialen für das eigene Unternehmen zu beschäftigen, um daraus eventuell resultierende Chancen sowie Verbesserungspotenziale bestmöglich auszuschöpfen. Die für die Anwendung notwendige Verfügbarkeit einer kompletten digitalen Versorgungskette besteht aus verschiedensten Komponenten. Dabei können auch kostengünstige 3D-Scanner und 3D-Drucker in Kombination mit frei verfügbarer Software zu erfolgreichen Versorgungen führen. Für Schlagzeilen sorgen oft Meldungen, dass mit einfachsten Mitteln Prothesen gedruckt werden, um einzelne Gliedmaßen oder auch ganze Hände zu ersetzen. Allerdings setzen die Regularien für Medizinprodukte diesem Vorgehen Grenzen, die Datenschutzgrund- und die Medizinprodukteverordnung seien hier nur beispielhaft genannt. Orthesen die für einen einzelnen Patienten hergestellt werden, sind meist als Medizinprodukt der Klasse 1 einzustufen. Daraus ergeben sich unabhängig vom konkreten Herstellungsverfahren verschiedene Vorgaben zum Risikomanagement und zur Produkt- und Prozessvalidierung, die für Hersteller von Medizinprodukten verpflichtend sind. Vor diesem Hintergrund ist eine Prozessvalidierung zu etablieren. Die Prüfmechanismen sollen einerseits die Reproduzierbarkeit und Qualität der gedruckten Bauteile sicherstellen, andererseits aber auch praktisch in die Prozessabläufe des Unternehmens integriert werden können. Dazu zählt ein angemessener zeitlicher Umfang hinsichtlich der Komplexität. Dieses Dokument bietet sowohl Anhaltspunkte zur Berücksichtigung der geltenden Gesetzes- und Normungslage als auch zur technischen Umsetzung und richtet sich an Unternehmen (3D-Druck-Dienstleister und Orthopädietechniker), die beabsichtigen, regelmäßig Orthesen im Schmelzschichtverfahren herzustellen. Im Dokument wird der Begriff 3D-Druck synonym für die Gesamtheit der additiven Fertigungsverfahren verwendet.