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Verborgene Ressourcen: Kohlenstoffbilanz in alten Gebäuden
Ein Berliner Start-up schafft Planungsgrundlagen für die Kreislaufwirtschaft im Bausektor
Die Baubranche hat einen hohen Ressourcenverbrauch und trägt durch ihre Emissionen erheblich zum Klimawandel bei. Nach Schätzungen des Rates für Nachhaltige Entwicklung verursacht der Wirtschaftszweig rund 60 % der weltweiten Abfälle und etwa 40 % des globalen CO2-Ausstoßes. So liegt der Gedanke nahe, durch Kreislaufwirtschaft erhebliche Einsparungen zu erzielen. Circular Economy im Bausektor ist ein Element des Green Deals der Europäischen Union und der EU-Taxonomie. Kreislaufwirtschaft bedeutet in diesem Zusammenhang vor allem Umbau und Umnutzung bereits bestehender Gebäude oder die Wiederverwendung von gebrauchten Baumaterialien. Eine große Herausforderung dabei: Anders als Neubauten sind bereits vor Jahren oder Jahrzehnten errichtete Gebäude in der Regel weniger detailliert dokumentiert.
„Unsichtbare“ Eigenschaften erkennen
Genau hier setzt die Idee des Berliner Start-ups orto an: Die beiden Gründer und Geschäftsführer, der Industriedesigner Alexander Werle und der Architekt Felix Matschinske, erklären ihre Arbeit: „Wir beschäftigen uns mit der Analyse von Bestand und dem Offenlegen von Eigenschaften, die Grundlagen für den Erhalt und das Weiterbauen darin bieten. Dazu gehört das Schließen von Dokumentationslücken wie etwa fehlenden Grundrissen. Darüber hinaus wollen wir aber fundierte Erkenntnisse über unsichtbare Eigenschaften wie etwa in der Bausubstanz gebundene Emissionen gewinnen.“
Auf Basis dieser Erkenntnisse können Verantwortliche wie Planer*innen, Projektentwickler*innen oder Architekt*innen beurteilen, wie sich der Erhalt eines Bestandsgebäudes oder das Recycling von alten Baumaterialien auf die Ökobilanz eines Vorhabens auswirken. Bei Neubauten ist eine Ökobilanzierung mittlerweile Regelfall und dient unter anderem der Nachhaltigkeitsberichterstattung und als Grundlage für die Projektfinanzierung. Bislang geschieht die Erhebung solcher Daten im Bestand allerdings nicht umfassend und nach unterschiedlichen Methoden. orto will hier Abhilfe schaffen und für Einheitlichkeit und damit Vergleichbarkeit sorgen.
Förderung für eine innovative Vision
Mit ihrem Vorhaben „Ermittlung des Kohlenstoffspeichers im Bestandsbau“ hat sich orto um Unterstützung durch DIN Connect, das gemeinsame Förderprogramm von DIN und DKE zum Transfer von innovativen Ideen in die Normung und Standardisierung, beworben und wurde in diesem Jahr als eines von vier Projekten ausgewählt. „Uns treibt die Vision einer Immobilienbranche, die allen an sie gerichteten politischen und gesetzlichen Erwartungen gerecht wird. Dafür sind ein einheitliches Verfahren zur Einschätzung von Bausubstanz für Immobilienentwickler*innen und Planer*innen und zugleich Werkzeuge für die Schlüsselindustrie Bau notwendig,“ begründeten Werle und Matschinske ihre erfolgreiche Einreichung.
Durch DIN Connect haben die innovativen Köpfe von orto jetzt die Gelegenheit, gemeinsam mit Expert*innen aus Wissenschaft und Wirtschaft eine neue DIN SPEC für ihren Bereich zu auf den Weg zu bringen. Die Gründer betonen die Bedeutung von technischen Regeln und Normen für ihre Arbeit: „Bei der Bestandsanalyse und Ökobilanzierung nutzen wir selbstverständlich bereits bestehende DIN SPECs wie beispielsweise den Pre-Demolition Audit. Einen Standard mitzugestalten, heißt für uns, ein Werkzeug zu erstellen, das vielen Anwender*innen größtmöglichen Nutzen stiftet.“