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Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs stärkt die bewährte Arbeitsteilung zwischen Europäischer Kommission und privatwirtschaftlich getragener Normung
Ein Statement von DIN und DKE
Am 5. März 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass EU-Bürger gegenüber der Europäischen Kommission ein Recht auf kostenlose Einsicht in bestimmte harmonisierte Europäische Normen besitzen, wenn diese Normen konkrete Sicherheitsanforderungen an Produkte oder Dienstleistungen festlegen. Konkret ging es in der Klage um vier technische Normen für Spielzeug.
Gleichzeitig stellt das Urteil den urheberrechtlichen Schutz von harmonisierten Normen nicht in Frage – und damit auch nicht das etablierte und seit Jahrzehnten gut funktionierende Europäische Normungssystem.
Der EuGH bestätigt, dass auch harmonisierte Europäische Normen von privatrechtlichen Normungsorganisationen erstellt werden und ihre Anwendung freiwillig ist. Die Aussage, sie seien „Teil des Unionsrechts“ aus dem Urteil ist deswegen einschränkend zu verstehen. Sie bedeutet vor allem nicht, dass harmonisierte Europäische Normen mit dem sonstigen EU-Recht, wie zum Beispiel Richtlinien oder Verordnungen, gleichzusetzen wären. Somit wird auch die bewährte Arbeitsteilung zwischen der Europäischen Kommission und der privatwirtschaftlich getragenen Normung gestärkt.
Die privatwirtschaftlich organisierte Normung ist ein Erfolgsmodell: Zum einen stellt sie den Unternehmen die Möglichkeit eines einfachen Zugangs zum Binnenmarkt zur Verfügung. Zum anderen bringen hier Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlicher Hand und Zivilgesellschaft aus ganz Europa ihr Fachwissen in die Normung ein.
Erklärtes Ziel ist es, offene Standards zu setzen, um zukünftige Entwicklungen zu antizipieren. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Anforderungen dem sich stetig weiterentwickelnden Stand der Technik entsprechen, praxistauglich und umsetzbar sind. Dies stellt einen wesentlichen Faktor der Produktsicherheit dar, auf den sich über 450 Millionen Verbraucher und Verbraucherinnen in Europa verlassen.
Ein starkes Europäische Normungssystem ist darüber hinaus elementar für die technologische Souveränität Europas. In der 2022 von der Europäischen Kommission veröffentlichen EU-Standardisierungsstrategie heißt es: „Die Wettbewerbsfähigkeit und die technologische Souveränität Europas, die Fähigkeit, Abhängigkeiten zu verringern, und der Schutz der Werte der EU werden genauso wie unsere sozialen und ökologischen Ambitionen davon abhängen, wie erfolgreich die Normung von europäischen Akteuren auf internationaler Ebene betrieben wird.“
Um die in der EU-Standardisierungsstrategie genannten Ambitionen zu erfüllen und auszubauen braucht es heute umso dringender ein starkes und gut funktionierendes Europäisches Normungssystem. Ein System basierend auf dem Engagement und dem Wissen der in der Normung tätigen Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlicher Hand und Zivilgesellschaft.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs werden wir daher gemeinsam mit der Europäischen Kommission und den am Normungsprozess beteiligten Akteuren zügig daran arbeiten, das Erfolgsmodell „Europäisches Normungssystem“ weiter zu stärken und wo nötig weiterzuentwickeln.
Christoph Winterhalter, CEO von DIN und ISO-Vice-President Policy, und Wolfgang Niedziella, Mitglied der Geschäftsleitung der DKE und CENELEC-President