Dr. Harald Geis
Laudatio anlässlich der DIN-Mitgliederversammlung 2016
Dass das Begriffspaar Deutschland und Maschinenbau weltweit erkannt und als stimmig anerkannt wird, wissen wohl fast alle. Mit über 6.000 Unternehmen und mehr als einer Million Beschäftigten gehört der deutsche Maschinenbau zu den wichtigsten Industriezweigen unseres Landes und trägt maßgeblich - und das über Jahrzehnte hinweg - zu unserem Erfolg als Exportnation bei.
Im März 1949 wurde mit der Gründung des Normenausschusses Maschinenbau in Krefeld-Uerdingen eine zentrale Organisation für die einschlägige Normungsarbeit geschaffen. Träger des Normenausschusses, heute in Frankfurt am Main angesiedelt, ist der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).
Von den vergangenen 67 Jahren hat der Mann, den wir heute ehren, nicht weniger als 17 Jahre als Vorsitzender des NAM gewirkt – also ein Viertel der gesamten Zeitspanne.
Dr. Harald Geis hat den Maschinenbau von der Pike auf gelernt. Nach der 1969 abgeschlossenen Lehre als Werkzeugmacher folgten weitere Stationen der fachlichen Ausbildung in Aschaffenburg und Darmstadt, wo er zunächst an der Fachhochschule sein Diplom als Ingenieur (FH) ablegte. Anschließend nahm er an der Technischen Universität Darmstadt das Maschinenbaustudium auf, das er 1979 als Diplom-Ingenieur abschloss. Danach war er als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Fluidsystemtechnik im Fachbereich „Hydraulische Maschinen und Anlagen“ tätig und promovierte dort 1984 zum Dr.-Ing. Von seinem fundierten Fachwissen und praktischen Können zeugen Beiträge in Lehrbüchern, Artikel in der Fachpresse sowie die ihm zuerkannten Patente.
Dem Thema seiner Doktorarbeit – Hydraulik – hat er seine beachtliche Karriere in der Industrie gewidmet, die 1984 bei der Mannesmann Rexroth AG in Lohr am Main begann. Bereits 1988 mit Handlungsvollmacht ausgestattet, wurde ihm dort 1995 Prokura erteilt. 1997 erfolgte der Aufstieg in die Geschäftsführung des Geschäftsbereichs Rexroth Hydraulics mit einem entsprechend erweiterten, internationalen Verantwortungsbereich und einem Entwicklungsbudget von 40 Mio. Euro. Dabei wurde Dr. Geis nicht nur zum Direktor innerhalb des Mannesmann-Konzerns ernannt, sondern war auch im Vorstand verschiedener Firmen und Tochterfirmen in China, Indien und Japan.
Weitere internationale Erfahrung gewann er nach dem Wechsel als stellvertretender Geschäftsführer zur international tätigen Unternehmensgruppe FSP Fluid Systems Partners, und zwar als Sprecher der Geschäftsführung des tschechischen Hydraulikherstellers Hytos AG, einer Traditionsfirma im Bereich der Steuerungs- und Regelungstechnik. Nach einer weiteren Station als Technischer Leiter und Mitglied der Geschäftsführung bei der Ölhydraulik Altenerding GmbH & Co. KG, kam Dr. Geis 2004 zum Automobilzulieferer Thomas Magnete GmbH. Dort leitete er den Geschäftsbereich Mobilhydraulik und war Mitglied der Lenkungsgremien der Niederlassungen in Korea, Schweden und den USA. Seit 2013 ist Dr. Geis als selbstständiger Consultant tätig. In dieser Funktion betreut er Führungskräfte und unterstützt deutsche Unternehmen bei der Erschließung des chinesischen Marktes.
Soviel zum beruflichen Lebensweg. Fast parallel dazu verlief seine Expertenlaufbahn in der Normung, die 1987, drei Jahre nach dem Karrierestart, mit der Mitarbeit auf nationaler Ebene in den Bereichen Hydroventile und Druckbemessung des NAM begann. Zudem war er auf internationaler Ebene in den Arbeitsgruppen „Hydraulic control products“ und „Contamination control“ des ISO Technical Committee 131 aktiv. Als Vertreter des Fachbereichs Fluidtechnik wurde er 1998 in den NAM-Beirat berufen und am 1. Juli 1999 zum Vorsitzenden des Normenausschusses gewählt.
Anlässlich seiner Amtsübernahme formulierte Dr. Geis eine Reihe von Zielstellungen, die über seine gesamte 17jährige Führung des NAM ihre Relevanz weitestgehend behalten haben. Diese galten der Autonomie der Normung, die gegenüber Eingriffen Dritter - ob Staat oder Europäische Kommission – aufrechtzuerhalten sei, der Schaffung von Rahmenbedingungen, die die freiwillige Beteiligung von Experten an der Normungsarbeit erleichtern, sowie der Sicherung der Marktrelevanz und des praktischen Nutzens der Normen für die unmittelbaren Anwender, was letztlich auch Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt zugutekommt.
Dr. Geis hat nicht nur direkt für den NAM gewirkt. Im Jahr 1999 wurde er in das DIN-Präsidium als Vertreter des Maschinenbaus gewählt. Von 2001 bis 2005 diente er unter den DIN-Präsidenten Dr.-Ing. Gerd Weber und Dietmar Harting als deren zweiter Stellvertreter sowie als Mitglied des Finanzausschusses. In diesen Funktionen hat Dr. Geis bei der in diesen Jahren vorgenommen Neuausrichtung von DIN als Dienstleister, bei der Bildung der DIN-Gruppe und bei anderen wichtigen Weichenstellungen aktiv mitgewirkt und die strategischen Entscheidungen der Geschäftsleitung mitgeformt. Seit 2011 ist Dr. Geis erneut Mitglied des Präsidiums für den Bereich Maschinenbau gewesen, eine Funktion, die er jetzt an seinen Nachfolger abgibt.
Wer sich ein wenig in der Normung der letzten, recht bewegten Jahre auskennt, wird verstehen, dass ich heute nur einige Aspekte dieser 17-jährigen Amtszeit anspreche und nur einige Themen, um die Dr. Geis sich besonders verdient gemacht hat, hervorheben kann. So nenne ich beispielsweise
- sein Engagement bei der Internationalisierung der Normung und seine Unterstützung des Konzepts der "globalen Relevanz", das insbesondere auf die Integration der international angewendeten Spezifikationen von US-amerikanischen Regelsetzern wie API, ASME, ASTM ausgerichtet war
- die erfolgreiche Integration von mittelständischen Maschinenbauunternehmen in die Normung, die 2006 im Rahmen einer EU-Studie als eines von 23 Best-Practice-Beispielen gewürdigt wurde
- seine Mitwirkung bei der Zusammenarbeit zwischen DIN und dem beim VDMA angesiedelten NAM sowie bei der Realisierung von pragmatischen Lösungen zu operativen Aspekten der Normung.
Hervorheben möchte ich auch, dass Dr. Geis seine umfangreiche Erfahrung aus der Industrie nicht nur im Rahmen der Deutschen Normungsstrategie eingebracht hat, sondern daraus immer wieder Impulse zur Behandlung von technologiekonvergenten Normungsthemen gegeben hat. Das hat beim hierfür erforderlichen Dialog zwischen NAM und DKE zu signifikanten Verbesserungen geführt. Mittlerweile ist in Zeiten von "Industrie 4.0" die zusätzliche Integration der Informationstechnologie erforderlich. Auch hinsichtlich dieser Herausforderung hat Dr. Geis wertvolle Anregungen gegeben.
Sie erkennen, meine Damen und Herren: Was die innovativen Themen angeht, die uns gerade jetzt so beschäftigen, ist Dr. Geis absolut auf der Höhe der Zeit. Seine Expertise und sein Erfahrungswissen wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Für solche Fälle hat DIN einen Weiterbeschäftigungsmechanismus in Form eines Ehrensenats geschaffen. Dr. Harald Geis wird hiermit in den Ehrensenat von DIN aufgenommen. Als Mitglied des Waldemar-Hellmich-Kreises wird er uns noch lange beratend zur Seite stehen können.