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2021-10-13

DIN/DKE-China-Frühstück: Die politischen Normungsstrategien im Vergleich

Bericht zum Auftakt am 12.10.2021

China-Frühstück am 12.10.2021

Was kann Deutschland der chinesischen Normungsstrategie entgegensetzen? Welchen Rahmen benötigen Stakeholder, um global und gegenüber China in der Normung Schritt zu halten? Und welche Unterstützung bedarf es von der Politik? DIN und DKE haben mit ihrer siebenteiligen Frühstücksreihe „China und die Normung“ zu einem Informations- und Erfahrungsaustausch eingeladen, der zum Verständnis der geopolitischen Herausforderungen beitragen soll. 

Rund 450 Interessierte hatten sich eingewählt, um im Rahmen des ersten virtuellen Frühstücksgesprächs am 12.10.2021 mit den Impulsgebenden über die unterschiedlichen politischen Normungsstrategien in China, den USA sowie der EU zu diskutieren.

Die Motivation für das Entstehen der Frühstücksreihe war laut Moderatorin Sibylle Gabler, Leiterin Regierungsbeziehungen bei DIN, das sichtbar gestiegene Interesse in Medien und Politik. Im Deutschen Bundestag habe sich zuletzt der Auswärtige Ausschuss im Rahmen einer Expertenanhörung mit der internationalen Normung im Bereich neuer Technologien als Teil des geopolitischen Wettbewerbs befasst. Die Europäische Kommission bereite aktuell eine neue Standardisierungsstrategie vor. Nach dem Motto „Wer die Norm macht, hat den Markt“ hätten China, die USA und Europa jeweils unterschiedliche Herangehensweisen in der Normung.

In China sei eine zunehmende Beteiligung und Führung in den internationalen Standardisierungsorganisationen ISO und IEC sowie eine sinkende Annahmerate von internationalen Normen zu beobachten. Dr. Betty Xu, Director, Seconded European Standardization Expert in China (SESEC) erläuterte, dass das chinesische Normungssystem stark von der Regierung kontrolliert werde und nicht wie in Europa vom Markt gesteuert sei. Normen würden zur Verbesserung der Produktqualität, zur Förderung einheimischer Innovationen sowie zur Unterstützung von Vorschriften und Zertifizierungen genutzt.

„Die Regierung unterstützt die chinesische Beteiligung an der internationalen Normung stark“, erklärte Dr. Xu. Unter dem Motto „China standards go global" exportiere das Land seine Normen aber nicht nur über ISO/IEC, sondern auch über Projekte wie die "Belt and Road"-Initiative. Die Ergebnisse, die Effizienz und die Effektivität der von der Regierung geförderten internationalen Normung würden genau beobachtet. „China ist technisch und wirtschaftlich mit der Globalisierung gekoppelt, so dass international einheitliche Normen der Trend sein sollten“, so Dr. Xu. Dennoch erhoffe sich die Regierung über die Normung einen Wettbewerbsvorteil. Deutschen Unternehmen rät Dr. Xu, sich dafür einzusetzen, dass China an der ISO/IEC-Teilnahme festhält. Sie sollten ebenfalls die chinesische Normung beobachten und sich hieran aktiv beteiligen.

In den letzten zehn Jahren wurden mehrere Reformen in der Normung durchgeführt. Am 10.10.2021 haben das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas und der Staatsrat die "National Standardization Development Outline" veröffentlicht als ein Ergebnis der Agenda „China Standards 2035“. China werde demnach mehr marktorientierte Normen fördern und diese gleichrangig behandeln wie staatlich gelenkte. „Der internationalen Normung soll die gleiche Bedeutung beigemessen werden, wie der nationalen“ so Dr. Xu. „Die Normung wird mehr Governance-Funktion haben, und die Qualität der Normen wird sich weiter verbessert.“

Im Gegensatz zu China fahren die USA einen industriegetriebenen Ansatz in der Normung. Gordon Gillerman, Director, Standards Coordination Office at the National Institute of Standards and Technology (NIST), berichtete über den vielfältigen Fußabdruck seiner Organisation bei der Entwicklung von Normen und betont die Notwendigkeit des Ausbaus der Koordination mit Verbündeten und Partnern. So könne sich der Einfluss auf internationale Normen erhöhen, diese effektiver und einflussreicher werden und die besten technischen Lösungen hervorbringen.

Thematisch liege der Fokus der Standardsetzung seines Landes aktuell im Bereich der Zukunftstechnologien, wie der Künstlichen Intelligenz, Cybersicherheit, fortschrittlicher Kommunikationstechnologien, Biotechnologie sowie Quantentechnologien. Die Prioritäten in der Normung lägen dabei im Ausbau der Führungsrolle bei internationalen Technologiestandards sowie in Forschung und Entwicklung. „Wirkliche Macht in der Normung entsteht durch gute Wissenschaft und gute technische Beiträge“, so Gillerman. Wesentlich seien auch starke öffentliche und private Partnerschaften sowie das Eintreten für eine offene Beteiligung an der Entwicklung von Normen.

„Wir alle müssen besser aufpassen und unser Bewusstsein für Normungsaktivitäten schärfen“, unterstrich Gillerman. „Je früher wir die Aktivitäten durch Beobachtung und Teilnahme verstehen, desto wichtiger ist es, dass wir in der Lage sind, uns frühzeitig zu organisieren und zu reagieren.“ Gute Normen suchten nach den besten technischen Lösungen im Konsens.

Für Sophie Müller, stellvertretende Referatsleiterin Normungspolitik in der General Direktion GROW der Europäischen Kommission, hat die internationale Standardisierung eine Schlüsselfunktion. Daher sei es wichtig, dass Europa dieses Thema strategischer angeht als bisher. In anderen Regionen sehe man bereits eine starke Geopolitisierung. Standardisierung sei nicht mehr allein technologisch wichtig, sondern auch immer mehr politisch motiviert, so Müller. Hier gehe es darum, dass strategische EU-Interessen und Werte verfolgt, bzw. geschützt werden. Das Eingehen von Partnerschaften – sowohl in Europa als auch international – sei hierbei essentiell.

Die Innovationszyklen seien deutlich schneller geworden, so dass der Zeitraum für das Setzen von Standards immer kleiner werde. Das System der Standardisierung innerhalb der EU müsse noch weiter gestärkt werden, um global zukünftig besser auftreten und mithalten zu können. Europa nutze seine Stärken nicht wirklich aus, resümierte sie. Nationale Standardisierungsorganisationen und deren Experten in der internationalen Normung sollten sich auch als Vertreter Europas präsentieren. Die EU habe ein gemeinsames Verständnis für die wichtigsten Herausforderungen, Prioritäten und Schlüsseltechnologien, die sich auf unsere Industrie und Gesellschaft auswirken. Sie müsse koordinierter vorgehen und besser antizipieren.

Chinas staatsgetriebener Ansatz sei eine Herausforderung für die europäische Herangehensweise an die Normung. Es bedürfe einer proaktiven Herangehensweise, um global eine Führungsrolle in neuen Technologien zu übernehmen. Hierfür sei Standardisierung eine wesentliche Voraussetzung.

In der abschließenden Diskussion rief Dr. Xu internationale Unternehmen noch einmal zu einer stärkeren Beteiligung an der chinesischen Normung auf. Die nationalen Komitees stünden für alle offen, ebenso wie die marktgetriebenen Verbände. In einigen staatsgeführten technischen Komitees habe es Probleme gegeben, da die Zahl der Teilnehmer limitiert sei. Sie stellte in Aussicht, dass SESEC und SAC bei Hindernissen unterstützen könnten.

Auf die Frage, ob die EU finanzielle Anreize für die Beteiligung von Unternehmen an der internationalen Normung plane, berichtete Sophie Müller, dass dies nicht geplant sei. Angesichts der Vielzahl an bevorstehenden Normungsvorhaben sei eine bessere Koordination und Identifikation von Prioritäten erforderlich. Hierbei sei aber das Engagement von Wirtschaft und Industrie weiterhin der Schlüssel für den Erfolg, da sich die Relevanz der Normung durch wirtschaftliche Interessenslagen ergebe. Die Teilnahme an der Normungsarbeit bezeichnete Müller als notwendiges Investment der Wirtschaft und „business choice“ - eine rein politisch angetriebene Normung sei nicht zielführend. Wie auch Gordon Gillerman unterstrich sie die Notwendigkeit, mit Partnern zusammenzuarbeiten und so die Effektivität und Effizienz in der Normung zu erhöhen.


Die Diskussion wird im Rahmen des zweiten Termins der Frühstücksreihe am 19.10.2021 zum Thema „China in der internationalen Normung – Erfahrungsberichte aus der technischen Arbeit in ISO, IEC und JTC 1“ fortgesetzt.

Eine Anmeldung ist weiterhin möglich unter din-veranstaltungen.de (Code: china21)

Allen registrierten Teilnehmenden steht unter DIN.ONE ein Diskussionsportal zur Verfügung. Dort werden die Präsentationen und Berichte zu den Folgeterminen zur Verfügung gestellt. 

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