ASMW und DIN

Die Integration des Bereichs Standardisierung des Amtes für Standardisierung Messwesen und Warenprüfung beim Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik (ASMW) in das DIN Deutsches Institut für Normung e. V. - ein Meilenstein in der Geschichte der Schaffung anerkannter Regeln der Technik in Deutschland

Ein Beitrag von Lothar Hertel (ehemals Gruppenleiter  DIN Solutions), Helmut Reihlen (ehemaliger Direktor von DIN) und Joachim Schoenermark (ehemaliger Referent bei CEN)

Das DIN Deutsches Institut für Normung e.V. war im Jahre 1917 von den an der technischen Regelsetzung interessierten Kreisen des Deutschen Reiches mit dem Namen Deutscher Normenausschuss e.V. gegründet worden,  bewusst als zivilrechtliche Einrichtung und nicht als Teil der Staatsverwaltung. Die Gründung erfolgte einerseits als Teil des Hindenburgplanes zur Intensivierung und  Rationalisierung der Industrieproduktion im Dienste der Kriegführung, andererseits im Blick auf die nach einem Friedensschluss erwünschte Verringerung des staatlichen Einflusses auf die Industriepolitik Deutschlands.

Grundprinzipien der Arbeit des DIN waren von Anfang an und bis heute:
Freiwilligkeit, Beteiligung aller interessierter Kreise, Internationalität, kartellrechtliche Unbedenklichkeit, Konsens, Marktorientierung, Nutzen für die Allgemeinheit wie für die einzelnen Wirtschaftseinheiten, Öffentlichkeit, Orientierung am Gemeinwohl, Sachbezogenheit, Anwenderfreundlichkeit, Stand von Wissenschaft und Technik, Transparenz, Widerspruchsfreiheit, Wirtschaftlichkeit.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beteiligte sich die Wirtschaft in der sowjetisch besetzten Zone, später der DDR wie selbstverständlich an der Normungsarbeit des DIN und war in den Leitungs- und Arbeitsgremien des DIN vertreten. Auch die junge richtete sich nach den DIN-Normen. Die Regierung der DDR bildete aber bald, dem sowjetischen Vorbild folgend, ein Amt für Standardisierung. Nun wurden die Regeln der Technik der DDR,  die Technischen Güte und Lieferberdingungen, abgekürzt TGL, konform mit der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung der DDR  von der Staatsverwaltung als Rechtsvorschriften erarbeitet, nach deren Ermessen auch unter Beteiligung der anderen Wirtschaftsbeteiligten. Die Anwendung von DIN-Normen wurde zunächst eingeschränkt, später sogar verboten;  die Außenstellen des DIN in der DDR  wurden geschlossen. Diese Maßnahmen waren systemimmanent logisch. In einer von Liefermonopolen und von der Knappheit der Güter geprägten Wirtschaft musste der Staat zumindest theoretisch die Selbstregulierungsmechanismen eines freien Wettbewerbes kompensieren. Der Staat als Eigentümer, als Hersteller, als Verbraucher  als technische Überwachung und  Berufsgenossenschaft in einem, das war ein unbeweglicher Koloss. Dieses Normensystem war zugleich wider das Wesen der Technik. Im Regelkreis natur-wissenschaftlicher Grundlagenforschung, angewandter Forschung, daraus folgender Produktentwicklung, sich wandelnder Kundenwünsch und veränderter Kostenstrukturen am Weltmarkt entstehen ständig  neue Möglichkeiten und Zwänge  der Produktgestaltung. Die Technik unterliegt einem dynamischen Veränderungsprozess. Deshalb müssen die Regeln der Technik ständig verändert und aktualisiert werden und ein Normungskonzept verfolgt werden, das dem Prozeß der technischen Entwicklung Rechnung trägt, ja, ihn fördert. Das DIN normt idealtypisch Begriffe, Prüfverfahren  und Leistungsanforderungen. Es bleibt dem Hersteller überlassen, auf welchem Wege, mit welcher Produktgestaltung mit welchen Materialien er diese Leistungsanforderungen kostensparend erfüllt.

Spätestens 1988 hatten leitende Persönlichkeiten der DDR erkannt, dass ihr Land u.a. mit seinem Normenkonzept im sich zusammenschließenden Europa wirtschaftlich keine Chance haben würde. Noch vor dem Fall der Mauer, als viele in Ost und West noch von einer mehrjährigen konföderierten Eigen-Staatlichkeit der DDR ausgingen, haben ASMW und DIN einen sehr strikten Kooperationsvertrag geschlossen. Das ASMW übertrug seine Normungsarbeit auf das DIN, das DIN räumte den Wirtschaftsbeteiligten der DDR die gleichen Mitwirkungs- und Verwertungsmöglichkeiten ein wie den Altmitgliedern des DIN in Westdeuschland. Der Vertrag, die Normungsunion trat am 4. Juli 1990 in Kraft,  also 4 Tage nach dem Inkrafttreten der Währungsunion. 114  ASMW-Angestellte wurden Mitarbeiter des DIN bzw. des DIN Mediaes, ca. 20 % der bisherigen DIN /DIN Media-Belegschaft. Sie waren auf Dauer von DIN ihm zu besolden. Der DIN Media belieferte Kunden im „Beitrittsgebiet“ zu den gleichen Bedingungen wie die im bisherigen Bundesgebiet und dies auf Dauer. Er erzielte damit erhebliche Umsätze bei der Erstausstattung der Wirtschaft der DDR mit DIN-Normen und auch auf Dauer eine  einen erhöhten Umsatz. Die DIN- Mitglieder zahlten einen Jahresbetrag als Sonderbeitrag zur Deckung der Sonderkosten der Normenunion. Eine vergleichbare Unterstützung leistete die Bundesregierung. Die deutsche Vereinigung im Bereich der Normung hat das DIN kurzfristig finanziell belastet, langfristig hat sie das finanzielle Fundament des DIN erweitert und gefestigt.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DIN aus dem ASMW haben sich hervorragend bewährt, fachlich, menschlich und auch beim Erlernen und dem Gebrauch der englischen Sprache, der de facto Arbeitssprache der internationalen und auch der europäischen Normung.

Deutschland und mit ihm das DIN, wir alle sind mit der Wiedervereinigung reicher geworden.